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Die Lady mit der Lanze

Die Lady mit der Lanze

Titel: Die Lady mit der Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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erstreckte sich das graue, von Stürmen zwischen Cymru und Irland aufgewühlte Meer. Nur unter seinen Füßen gab es Festigkeit. Aber jeder Schritt, den er machte, konnte in Treibsand enden, wo seine Hoffnungen und Pläne von Elspeths Lächeln aufgesogen wurden, das jeden anderen Gedanken aus seinem Kopf verdrängte.
    »Sie hat mich mit Wahnsinn angesteckt, mein Freund«, sagte er, als er Heliwr von seiner Lederkappe befreite und mit dem Finger über das Brustbein des Vogels strich. Dessen Schärfe und die Größe von Heliwrs Kropf verrieten ihm, ob sein Falke nicht überfüttert und damit jagdbereit war.
    Aus dem Blick des Vogels sprach Ungeduld.
    »Du bist gut dran, mein Freund. Du denkst nur an die Jagd und an die unglückliche Beute, die du bald schlagen wirst.«
    Der Vogel rührte sich auf seiner Hand, ein sicheres Zeichen, dass der Falke freigelassen werden wollte.
    Erst nach hinten ausholend, sodann rasch nach vorne, damit sein Arm frei und vom Mantel unbehindert ausschwingen konnte, ließ Tarran Heliwr fliegen. Der Falke erhob sich in die Höhe und ließ sich auf einem Baum nieder, um Ausschau zu halten, viel weiter, als Tarran sehen konnte. Was für eine Freiheit in einem solchen Flug liegen musste! Welch einfaches Leben … Beute aufspüren und vertilgen, mit Fängen so scharf wie der Dolch an seinem Gürtel.
    Tarran beobachtete den Falken, der, von Baum zu Baum fliegend, einen immer besseren Aussichtspunkt suchte, während er den Hang erklomm. Auf dem Hügelrücken angelangt, erblickte er ein paar Häuser auf einer Landzunge, die ins Meer ragte und aussah wie ein Laib ungebackenes Brot. Der Südwesten Cymrus unterschied sich von seinen geliebten Bergen im Norden. Ihm fehlten die zerklüfteten Felsen, die ringsum von Geröll umgeben waren. Als Kind war er über Felsblöcke geklettert und hatte wilde Kämpfe mit Phantasie-Gegnern ausgefochten. Nun hatte er es mit einem echten Feind zu tun.
    Mit einem lauten Kreischen stieß Heliwr mit den Fängen voran herab. Tarran stürzte zu der Stelle, wo der Vogel seine Beute schlug.
    Ließ er den Vogel zu lange schmausen, würde Heliwr sich nur widerstrebend in die Lüfte erheben. Der Vogel zerriss den kleinen Hasen, den er unter ausgebreiteten Schwingen festhielt. Tarran zog ein Stückchen Fleisch hervor und hielt es dem Vogel vor den Schnabel. Heliwr schnappte danach, und Tarran entriss ihm den Hasen, um ihn in seinem Beutel zu verstauen. Der Vogel, der glauben würde, der Hase sei geflohen, würde nach anderer Beute suchen und Tarran einen Vorwand liefern, weiterhin auf dem Hügel umherzustreifen.
    Er legte nun ein Stück Fleisch auf den Daumen seines Handschuhs und streckte die Hand aus. Heliwr hüpfte hinauf und verschlang den Leckerbissen in einem einzigen Schluck. Kaum saß der Vogel wieder auf seinem Arm, schickte er ihn abermals aus. Heliwr schwang sich in die Höhe, erleichtert, von seiner Kappe befreit zu sein und den langen Ritt hinter sich zu haben.
    Tarran wanderte den Hügelrücken entlang. Er hielt inne, als er große, übereinandergestapelte Steinblöcke sah. Dies war einer jener uralten Orte, erbaut von den Menschen, die als Erste von Cymru Besitz ergriffen hatten. Drei aufrecht stehende Steine stützten die Hinterseite eines riesigen, flachen Felsstücks. Ein einzelner Stein war unter der Vorderseite des tropfenförmigen Felsens positioniert. Etliche flache Felsblöcke lagen um die aufragenden Steine verstreut.
    Er hörte in dem Gebüsch jenseits der Steine etwas rascheln. Ein Tier, das seine Herde suchte? Regenstöße setzten ein. Er pfiff dem Falken, der in starkem Regen nicht fliegen würde.
    Wieder hörte er das Geräusch. Wer war in der Nähe? Elspeth? Er erstickte das Aufglimmen von Hoffnung, das sich ungebeten meldete. Was um ihn herum geschah, was er sah, was er hörte, alles bewirkte, dass sie in sein Bewusstsein trat, doch kam jemand näher, und er konnte sich nicht denken, wer hinter ihm den Hügel erklommen haben mochte. Seith hatte seinen großzügigen Leibesumfang nicht durch Bewegung erworben, und Kei und Gryn trauten weder Druce noch Elspeth so weit, dass sie die beiden mit ihren Gefährten allein zurückgelassen hätten.
    »Elspeth«, sagte er, ohne seinen Ärger zu zügeln, »mir reicht …«
    Heliwrs Kreischen ertönte hoch über ihm.
    Tarran fuhr herum. Etwas schlug auf ihn ein. Ein Schwert! Er ließ sich rücklings fallen, um auszuweichen, und kam mit einer Rolle auf die Beine. Seinen Jagdhandschuh abwerfend, zog er sein Schwert.

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