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Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Titel: Die Lady von Milkweed Manor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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dich bezieht.«
    Charlotte überflog rasch den Brief.

    An Mrs Amelia Tilney,
    Madam, ich danke Ihnen für Ihr Interesse an unserer Arbeit und Ihre Unterstützung unserer Einrichtung in den vergangenen Jahren. Ich schreibe Ihnen, um Sie von einer neuen Entwicklung hier zu informieren, die von besonderem Interesse für Sie sein dürfte. In der Tat ist es so, dass wir den klugen Rat, den aufgrund Ihrer besonderen Verbindung zu unserem Haus allein Sie uns geben können, dringend brauchen. Uns ist bewusst, dass Sie viele Verpflichtungen haben, die Ihre Zeit in Anspruch nehmen, aber wir hoffen dennoch dringend, dass Sie Zeit für uns finden werden. Unsere Einrichtung steht Ihnen zu jeder Zeit offen. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns baldmöglichst einmal besuchen könnten.
    Ergebenst
    Dr. Daniel Taylor
    Arzt, The Manor House – Heim für Ledige Mütter

    »Ich habe ihn nicht gebeten zu schreiben«, sagte Charlotte, die noch immer auf den Brief starrte. »Und ich weiß nicht, wie du aus diesen wenigen Zeilen irgendetwas ableiten konntest.«
    »Ich habe zwischen ihnen gelesen, wie es so schön heißt. Was ist passiert?«
    Charlotte gab ihr das Schreiben zurück. »Ich hatte ein Kind. Einen Sohn. Aber er ist fort. Verloren für mich.«
    Die Tränen, die ihrer Tante bei diesen knappen Worten in die großen braunen Augen stiegen, waren Balsam für Charlottes Seele. Die Schwester ihrer Mutter saß neben ihr auf der Bank. Behutsam berührte sie Charlottes Hand mit den behandschuhten Fingerspitzen. »Mein armes, liebes Mädchen. Wie lange ist das her?«
    »Er kam vor zehn Tagen zur Welt. Ich hatte ihn sechs Tage. Sechs sehr kurze Tage.«
    »Es tut mir so leid, mein Liebling. So sehr leid. Was für ein entsetzlicher Verlust für dich.«
    »Ja, das ist es wirklich. Manchmal kann ich fast nicht mehr atmen.«
    »Das verstehe ich. Aber wer dürfte Gottes Ratschluss in Frage stellen? Vielleicht hat er es so gefügt, damit du zu deiner Familie zurückkehren kannst.«
    »In meinen Augen ändert das überhaupt nichts.«
    »Und ob es etwas ändert! Der Beweis ist …«
    »Beweis! Er war kein Beweis – er war mein Sohn. Mein kostbarer kleiner Junge, mein Herzblatt.«
    »Verzeih mir, meine Liebe. Ich verstehe dich gut.« Ihre Tante legte ihr den Arm um die Schultern.
    »Ich bin so froh, dass du hier bist.«
    »Darf ich fragen … wessen Kind das ist?« Mrs Tilney nickte zu dem Korb hinunter.
    »Dr. Taylors Tochter.«
    »Und warum …?«
    »Seine Frau ist krank. Er hat mich gebeten, das Kind zu stillen und zu versorgen.«
    Amelia Tilney zog ihre behandschuhte Hand von Charlottes Hand weg und legte sie auf ihre spitzenbedeckte Brust.
    »Denkst du ernsthaft daran, diese Bitte zu erfüllen?«
    Charlotte nickte.
    »Du weißt, welch eine Schande das für deine Familie wäre, wenn es bekannt würde?«
    »Eine größere Schande, als ich ihr bereits gemacht habe?«
    »Eine sehr viel größere. Meine Liebe, wenn du wirklich eine Stelle suchst, dann kommt nur eine als Erzieherin infrage.«
    »Und wer, bitteschön, würde mich einstellen, um seine Kinder zu erziehen und zu formen?«
    »Viele Familien. Viele vornehme Familien.«
    »Jetzt, da ich kein Kind mitbringe, meinst du. Ich werde nicht lügen, was das betrifft.«
    »Ich verstehe deine Skrupel, meine Liebe – obwohl man sich fragen könnte, wo diese Skrupel zu einem bestimmten Zeitpunkt waren.«
    »Tante …«
    »Verzeih. Du weißt, dass ich nur das Beste für dich will.«
    »Ja, das weiß ich.«
    Die ältere Frau drückte wieder ihre Hand und die beiden saßen einen Augenblick lang schweigend da. Dann fuhr Mrs Tilney fort: »Ich glaube, dein Geheimnis ist sicher, mein Kind. Dein Vater und deine Schwester wissen es natürlich und die Leute hier ebenfalls, aber sie kommen wohl kaum mit den Familien in Berührung, mit denen du verkehrst.«
    »Sicher haben auch andere es erraten … oder zumindest vermutet.«
    »Vermutungen schaffen noch keine Tatsachen. Aber natürlich ist da immer noch der … Vater. Weiß er es?«
    »Ja.«
    »Und ist er vertrauenswürdig?«
    »Doch wohl eindeutig nicht. Wenn du aber meinst, ob er mein Geheimnis wahren wird, ja, ich glaube, das wird er. Jetzt mehr denn je.«
    »Bist du ganz sicher, dass in dieser Hinsicht nichts unternommen werden kann?«
    »Nein, Tante, gar nichts!«
    »Aber ein Gentleman … er ist doch ein Gentleman?«
    »Tante, das haben wir doch alles schon besprochen. Ich werde nicht sagen, wer es ist, also versuch nicht, es aus mir

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