Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
ankündigen.«
»Danke.«
»Trotzdem möchte ich noch ein letztes Mal an deine Vernunft appellieren. Lass mich die Vorsteherin rufen. Sie wird eine andere gute Frau für dieses Kind finden und ich werde dich in meiner eigenen Kutsche nach Crawley mitnehmen.«
»Tante, ich bin dir dankbar für deine Fürsorge. Und es tut mir sehr leid, dass ich dich enttäuschen muss. Aber dieses Kind zu verlassen, fällt mir genauso schwer, wie mein eigenes aufzugeben.«
»Aber du hast dein Kind doch nicht aufgegeben – der Herr hat dir diese Situation aus den Händen genommen. Er plant etwas anderes für dich. Er weiß, was das Beste für dich ist.«
»Das stimmt schon, irgendwie spüre ich ihn. Es ist ein wenig Trost inmitten dieses … zerbrochenen Glases, das mein Herz zerschneidet. Ich klammere mich an die Hoffnung, dass er in all dem anwesend ist. Dass er das Ganze, mich, meinen Sohn, erlösen wird.«
»Natürlich wird er das tun. Dein Sohn ist jetzt bei seinem Vater, der ihn liebt.«
»Ja«, nickte Charlotte, »das ist er.«
Nachdem Tante Tilney wieder gegangen war, fand Charlotte Dr. Taylor in der Findelkindstation. Zusammen gingen sie an das andere Ende der Eingangshalle, außerhalb der Hörweite der anderen Ammen.
Dort sagte Charlotte ruhig zu ihm: »Es wäre nicht schicklich, wenn ich in Ihrem Haus lebte, solange Ihre Frau nicht da ist.«
Dr. Taylor ließ den Kopf sinken. »Natürlich, Sie haben recht. Das hatte ich nicht bedacht. Mein Vater lebt zwar bei uns, aber trotzdem … ich verstehe.« Er nickte resigniert.
»Ich könnte Anne mit mir nach Crawley nehmen«, fuhr Charlotte fort und wusste dabei, dass sie viel zu eifrig klang, »und so lange für sie sorgen, wie es nötig ist. Meine Tante hat mir versichert, dass wir beide willkommen wären.«
Daniels Gesicht hellte sich auf. »Wissen Sie, früher war es durchaus üblich, dass Kleinkinder ein Jahr aufs Land geschickt wurden. Man glaubte, dass die frische Luft ihnen guttut. Manche Familien halten es heute noch so. Wären Sie wirklich bereit, Anne mitzunehmen? Für sie zu sorgen?«
Charlotte nickte. »Es sei denn, Sie können es nicht ertragen, von ihr getrennt zu sein …«
»Crawley ist nicht aus der Welt«, sagte er. »Wenn ich Anne hin und wieder besuchen dürfte, hielte ich das Ganze für eine ausgezeichnete Idee. Ich frage mich, warum ich nicht selbst daran gedacht habe.« Er tippte mit dem Daumen gegen seine Lippen, während er nachdachte. »Ich möchte Sie allerdings bitten, Ihre Abreise noch vierzehn Tage zu verschieben. Lassen Sie sich selbst und Anne ein wenig Zeit, Kräfte für die Reise zu sammeln. Die Straßen können sehr tückisch sein.«
»Gut.«
»Und Sie sind ganz sicher, dass Sie das wollen?«
»Ja. Ich möchte für sie sorgen wie für mein eigenes Kind. Bis Ihre Frau sich erholt hat, natürlich.«
»Sie können sich gar nicht vorstellen, was das für mich bedeutet, Miss Lamb. Sie werden gut dafür entschädigt werden und dürfen sich meiner ewigen Dankbarkeit sicher sein.«
Charlotte lächelte schwach. Ich hoffe nur, dass ich eine weitere Trennung ertragen kann …
17
Durch die Einrichtung der Findelhäuser werden vulgäre Affären gefördert, Spitzbuben herangezogen und die Zahl der Huren vergrößert, wohingegen die Kinder achtbarer Männer und Frauen ihr Leben lang Not leiden.
Porcupinus Pelagious, The Scandalizade , 1750
»Miss Lamb.« In der folgenden Woche sprach Dr. Taylor Charlotte im Gang an. »Darf ich fragen, wie es Anne geht?«
»Es geht ihr gut. Ich komme gerade von ihr. Sie hat sich satt getrunken und schläft jetzt friedlich.«
»Darüber bin ich sehr froh.« Er wollte weitersprechen, zögerte aber. »Ich weiß nicht …«
»Kann ich etwas für Sie tun?«
»Es ist nur … offen gestanden, ich bin etwas ratlos. Ich muss eine Patientin besuchen, die darauf besteht, dass eine Anstandsdame anwesend ist, aber weder Gibbs noch Mrs Krebs sind im Moment abkömmlich. Nun komme ich gerade aus Mrs Moorlings Büro und ganz abgesehen davon, dass es recht anmaßend ist, sie darum zu bitten, ist sie heute Abend gar nicht zu Hause.«
»Sie möchten, dass ich Sie begleite?«
»Ich weiß, dass Sie sich schlecht freimachen können …«
»Anne schläft wahrscheinlich die nächsten zwei oder drei Stunden. Ich bin sicher, Mae wird aufpassen und sich um sie kümmern, wenn sie aufwacht. Wie lange würde es denn dauern?«
»Etwa eine Stunde. Aber ich möchte Sie nicht ausnutzen. Und außerdem … wir wissen zwar beide, wie
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