Die Lagune Der Flamingos
Zögern zog er sie zu seinem Bett hin.
»Du bist so schön, Marlena, ein so schönes, feines Mädchen. Du bist viel zu gut für mich, weißt du das?«
»Nein«, gab sie keck zurück. »Das weiß ich selbstverständlich nicht.«
Sie setzten sich nebeneinander. Marlena lehnte sich gegen John. Sie war siebzehn Jahre alt. Sie würde die Schule bald abschließen, wie es Estella schon längst getan hatte. Natürlich erwartete ihre Mutter, dass sie nach ihrem Schulabschluss noch mehr im Fuhrgeschäft mithalf. Sie dagegen wollte …
Ach Gott, das Fuhrgeschäft jedenfalls gewiss nicht …
Aber sie wollte Johns Frau werden, mit oder ohne Trauschein. Sie wollte an seiner Seite als Journalistin arbeiten. Einige ihrer Artikel waren schon gedruckt worden, wenn auch weiterhin unter Johns Namen. Doch das würde sich ja irgendwann ändern.
Marlena leckte sich über die Lippen. »Mach mich zur Frau, John. Jetzt. Liebe mich.«
»Marlena, ich …«
»Tu es.« Sie nahm seine Hand.
»Aber, Marlena, du bist eigentlich noch ein Kind.«
Die Wut kochte so rasch in ihr hoch, dass ihre Kehle enger wurde.
»Ich dachte, wir sind ein Paar!«, stieß sie aus.
»Natürlich sind wir das, aber ich kann … Ich kann doch nicht …«
Natürlich kannst du, bohrte eine kleine gehässige Stimme in Johns Kopf, natürlich kannst du, du hast deinen besten Freund verraten, um dich zu retten. Du hast seine Ehefrau ohne eine Erklärung sitzen lassen, weil du zu feige für die Wahrheit warst. Du kannst sicherlich auch eine junge Frau aus gutem Haus entehren.
Es erstaunte John, mit welcher Selbstverständlichkeit Marlena sich seinen Liebkosungen hingab. Es berührte ihn sogar. Es sprach so viel Vertrauen aus ihren Bewegungen, aus ihren Küssen, aus ihrem ganzen Gebaren. Sie zeigte keine Scham vor ihm, zeigte sich wie jemand, der der Natur ganz nahe war, und hatte keine Scheu.
Sie entkleideten sich, ohne den Blick voneinander zu nehmen, musterten sich gegenseitig neugierig, dann schlang Marlena die Arme um seinen Hals. Ihre vollen Brüste streiften seinen Oberkörper. John spürte, wie sich sein Penis aufrichtete, küsste sie im nächsten Moment leidenschaftlich – erst auf den Mund und dann überall, weil er sich selbst nicht mehr zu halten wusste. Der Gedanke an Verhütung verflüchtigte sich, so schnell er gekommen war.
»Marlena, o Marlena.«
Ihre Körper vereinigten sich in einem raschen, wilden Rhythmus, der sich im Trommelschlag ihrer Herzen wiederholte. Er rief ihren Namen, als er kam, sie flüsterte den seinen zärtlich in sein Ohr, als der kurze Schmerz nachließ und ein Feuerwerk der Gefühle in ihr zu explodieren schien.
Für einen Moment wusste Marlena gar nicht, wohin mit sich. Dieses unglaubliche Gefühl riss sie mit sich, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte – und sie wollte ja auch nichts dagegen tun. Sie wollte nur hier sein, voll und ganz mit John vereinigt.
Später lagen sie erschöpft nebeneinander auf dem Bett. Es dauerte einen Moment, bevor sie beide zu Atem kamen. Nachdenklich strich John Marlena eine schweißfeuchte Strähne aus der Stirn. Er musste nichts sagen. Sie sah es in seinen Augen.
Er liebt mich, sang es in ihr, er liebt mich.
Drei Monate später wusste Marlena, dass sie schwanger war.
Elftes Kapitel
»Mama?«
Marlena hatte vorsichtig an der Tür geklopft. Als sie gleich darauf öffnete und eintrat, schrak sie zusammen. Das Gesicht ihrer Mutter war schneeweiß, ihre Augen rot gerändert.
»Papa … Papa ist tot«, flüsterte Anna.
»Julius …? O mein Gott!« Marlena war so entsetzt, dass sie nicht wusste, wie sie reagieren sollte.
Anna schüttelte den Kopf. »Nein, Heinrich … dein Großvater …« Anna vergrub ihr Gesicht in den Händen. »Er hat mir mein Leben immer so schwer gemacht. Ich dachte, ich würde froh sein, wenn er endlich tot ist. Wenn ich ihn während der Arbeit nicht mehr draußen im Hof betrunken auf der Bank sitzen sehe. Wenn ich mich nicht mehr für ihn schämen muss. Ich dachte, ich würde ihm den Tod wünschen, aber jetzt …«
Die Schluchzer, die nun zu hören waren, klangen trocken. Offenbar hatte Anna schon viele Tränen geweint.
Für einen Moment wusste Marlena nicht, was sie sagen sollte. Eigentlich war sie gekommen, um Anna ihre Schwangerschaft zu beichten, aber jetzt? Als müsse sie das Kleine schützen, legte sie die Hand auf ihren Bauch. Marlena hatte ihren Großvater in den letzten Jahren verachtet. Sie erinnerte sich nur an einen ständig betrunkenen,
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