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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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über Marlenas Verbleib. Und den ihres Kindes, hatte sie hinzugefügt.
    Unter dem Tisch, ungesehen von allen anderen, drückte Julius ihre Hand. Anna beschloss, sich aus dem Gespräch herauszuhalten, und ließ den Blick über die anderen Gäste wandern. Immer noch war das Klavier zu hören. Immer noch liefen Diener von Gast zu Gast, um Häppchen anzubieten. Etwas entfernt bemerkte Anna jetzt Eduard in ein Gespräch vertieft mit jenem Lorenz Schmid, der sie eingeladen hatte. Einmal hatten beide auf der falschen Seite des Gesetzes gestanden. Aber Lorenz, das musste Anna zugeben, war einer derjenigen gewesen, die dafür gesorgt hatten, dass Marlena und Estella gesund und munter zu ihnen zurückgekehrt waren.
    Ich sollte nicht misstrauisch, sondern dankbar sein, ermahnte sie sich nicht zum ersten Mal an diesem Abend. Was er wohl mit Eduard zu besprechen hat?
    Doch der Gedanke an Marlena war schon im nächsten Moment wieder da und ließ sich nicht mehr unterdrücken. Anna wusste, dass sie sich selbst von den bösen Grübeleien abhalten musste, die sie seit Marlenas Verschwinden gefangen hielten und ihr nachts sogar den Schlaf raubten. Marlena war jetzt seit einem halben Jahr fort. Das Kind musste längst auf der Welt sein. Aber noch immer gab es keine Spur von der jungen Frau und dem Kleinen.
    Manchmal kam es Anna so vor, als müsse sie vor Sehnsucht vergehen. Aber wie sie es auch drehte und wendete, offenbar blieb ihr dieses Mal nichts anderes, als zu warten.
    Diego stand im Torbogen, der zum ersten Patio führte, und spähte zu Maisie hinüber. Er konnte sie einfach nicht aus den Augen lassen, obwohl er wusste, dass sie heute gewiss nicht zueinanderkommen würden. Er bedauerte das sehr. An diesem Tag spielte sie wieder das unschuldige Mädchen, das er kennengelernt hatte, den Engel, der sie alle täuschte.
    Maisie ist in jeder Rolle bezaubernd, schoss es ihm durch den Kopf. Dann setzte er das Glas Champagner an die Lippen und fuhr fort, sie mit Blicken zu verzehren.
    »Wen schauen Sie denn an?«, war plötzlich eine Kinderstimme zu hören.
    Diego konnte den Schreckenslaut gerade noch herunterschlucken. Er sah zur Seite. Neben ihm, in den Schatten, stand ein etwa sechs- oder siebenjähriges Mädchen, das ihn aufmerksam beobachtete. Sein rotbraunes Haar war mittels einer Schleife zusammengebunden. Es hatte große grüne Augen.
    »Ich beobachte niemanden«, entgegnete er knapp.
    »Doch«, ließ die Kleine sich nicht beirren, »ich glaube, Sie beobachten die schöne blonde Frau da.«
    Diego ließ sich auch jetzt seine Überraschung nicht anmerken. »Und wenn ich es täte?«
    Das Mädchen sah ihn prüfend an. »Die Frau ist sehr hübsch«, stellte es dann mit ernster Stimme fest.
    »Das ist Maisie Cuthbert-Schmid, die Gastgeberin«, entschloss Diego sich zu erklären. »Und ich bin der persönliche Sekretär ihres Mannes. Ich soll auf sie aufpassen.«
    »Hm.«
    Sie klang nicht überzeugt.
    »Wie heißt du?«, fragte er die Kleine.
    »Das heißt, wie heißen Sie«, korrigierte sie ihn.
    »Sehr wohl, wie heißen Sie?«
    »Señorita Leonora Meyer.«
    »Ah, und ich bin Señor Diego Montoyo. Darf ich fragen, wie alt Sie sind, Señorita Meyer?«
    »Sechs Jahre.«
    Sie war sehr aufmerksam und verständig für ihr Alter, fand er. Er betrachtete sie nachdenklich. Sie sah auch viel älter aus. Da war ein Ausdruck in ihren Augen, der nicht zu einem Kind passte.

Zweites Kapitel
    Marlena saß da, den Block auf den Knien, den gespitzten Bleistift in der rechten Hand. Sie hatte den Kopf leicht schräg gelegt, so wie sie es häufig tat, wenn sie sich konzentrierte, und lauschte den Erzählungen der jungen Frau. Manchmal fragte sie sich, wie sie das Elend aushalten sollte, dem sie täglich begegnete. Dann wieder sagte sie sich, dass es zumindest einen geben musste, der die Geschichten dieser Menschen aufschrieb. Erst kürzlich hatte sie den bedrückenden Bericht einer Frau verfasst, die von ihrem Mann erst zur Prostitution gezwungen worden und dann fast von ihm ermordet worden wäre, da die Sache nicht genügend Geld einbrachte.
    Aus Rahel und Jenny Goldbergs Haushalt kannte sie Ruth Czernowitz, die inzwischen irgendwo weit im Süden des Landes für eine Familie arbeitete. Einige Wochen hatte die junge Frau versteckt vor ihren Zuhältern im Haus der Goldbergs gewohnt, bevor sie in einer Nacht- und Nebelaktion aus der Stadt gebracht worden war. Wenn Marlena es richtig verstanden hatte, hatte man von ihr eine Aussage gegen ihre Peiniger

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