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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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erwartet, doch Ruth hatte sich geweigert. Es waren wirklich jedes Mal die gleichen bedrückenden Geschichten, die sie hörte. Sie erwog, ein Buch darüber zu verfassen, hatte es aber noch nicht über sich gebracht, John davon zu erzählen.
    Wie würde er wohl reagieren? Was sollte sie tun, wenn er sie auslachte? Bisher erschienen ihre Artikel tatsächlich immer noch ausschließlich unter seinem Namen. Du schreibst gut, lobte er sie immer wieder, aber er ließ seinen Worten keine Taten folgen. Unter den Artikeln stand stets John Hofer. Alles andere war angeblich zu kompliziert. Außerdem meinte John, man mache sich mit solchen Artikeln nicht nur Freunde. Und dann versteckte sie sich ja auch noch immer vor ihren Eltern. Wenn Marlena auch der Überzeugung war, letztendlich nichts Falsches getan zu haben, quälte sie doch die Vorstellung, ihre Eltern enttäuscht zu haben. Sie hatte vorerst einfach nicht die Kraft, ihnen gegenüberzutreten. Sie hatte deshalb auch Rahel und Jenny darum gebeten, Stillschweigen über ihren Aufenthaltsort zu bewahren. Wenngleich sie von ihrer geflickten, abgerissenen Kleidung her kaum noch von jenen zu unterscheiden war, mit denen sie Gespräche führte – ein Name unter einem Artikel war selbstverständlich etwas anderes.
    Marlena runzelte die Stirn. Werde ich je etwas unter meinem Namen veröffentlichen?, fragte sie sich wieder einmal.
    Dann stieg mit einem Mal etwas brennend ihre Kehle hinauf. Sie verzog das Gesicht. Morgendliche Übelkeit. Sie war mit ihrem zweiten Kind schwanger, dabei war die kleine Aurora gerade erst ein Jahr alt. Sie freute sich, dass ihre Tochter ihr ähnlich sah. Sie hatte ihre grauen Augen, und das zuerst blonde Haar wurde immer dunkler.
    »Ich hätte das nicht sagen sollen«, sagte die junge Frau, die ihr zusammengesunken gegenübersaß, schüchtern.
    »O nein«, Marlena fuhr hoch, »nein, nein, das ist es nicht. Sie machen das sehr gut. Es ist nur so schrecklich, was Ihnen widerfahren ist. Wie kann ein Mensch so etwas tun?«
    Ihre Gesprächspartnerin hatte ihren Zuhälter verlassen wollen und war dafür bestraft worden, indem man die Muskeln und Sehnen ihres Gesichts derart durchtrennt hatte, dass sie zu einem ewigen fratzenhaften Lächeln verdammt war. Marlena schwankte zwischen Mitleid und Abscheu, als sie sich jetzt von der jungen Frau verabschiedete. Sie würde für immer entstellt sein.
    Sie verstaute Block und Stift in ihrer Tasche und machte sich auf den Weg nach Hause. Je näher sie dem conventillo kam, in dem sie sich ein Zimmer mit John und dem Kind teilte, desto dichter wurde das Gedränge auf der Straße, desto mehr Gerüche mischten sich in der Luft, desto mehr Stimmen waren zu hören. Kurz vor dem conventillo hatten sich an einer Straßenecke ein paar Leute versammelt. Ein Trio spielte ein trauriges Lied auf Geige, Flöte und Harfe. Ein Mann besang die Mädchen im Viertel, von denen es viel zu wenige gab.
    Als Marlena das Zimmer erreichte, war John schon da. Sie hatte erwartet, dass er noch unterwegs war, doch er lag wieder einmal reglos auf dem schmalen Bett und starrte gegen die Decke. Das erste Mal, als sie ihn in solcher Stimmung erlebt hatte, war sie überrascht gewesen. Der zupackende John mit seinem Fundus an Ideen wollte mit einem Mal das Bett nicht mehr verlassen.
    Marlena stellte die Tasche ab, goss sich einen Becher Wasser aus einer Kanne ein, in der ein paar Zitronenscheiben schwammen, und wartete ab. Nach einer Weile drehte er ihr den Kopf zu, langsam, als koste ihn das unglaubliche Mühe.
    »Wo warst du so lange?«
    »Ich habe mit Ignacia Cespedes gesprochen. Das hatte ich dir doch gesagt.«
    Er nickte kaum merklich. »Unser neuer Artikel?«
    Mein neuer Artikel, wollte sie sagen, schluckte die Worte jedoch herunter. Stattdessen ging sie zur Anrichte hinüber, um nach etwas Essbarem zu schauen, vergeblich. Der Brotkasten war leer. Sie drehte sich zu John um.
    »Du wolltest doch etwas zu essen mitbringen?«
    »Ich war heute nicht arbeiten«, sagte er, ohne sie anzublicken, und starrte wieder gegen die Decke.
    Als ob das eine Erklärung wäre!
    Wütend biss Marlena sich auf die Lippen. »Aber wir müssen etwas essen«, keifte sie dann.
    Sie hatte versucht, den Vorwurf aus ihrer Stimme zu halten. Es gelang ihr nicht. Sie hasste es, zu hungern.
    »Es schadet nicht, wenn wir einen Tag nichts essen«, erwiderte John. »Es gibt viele, die tagelang nichts zu essen haben.«
    »Aber ich muss etwas essen!«
    Marlena legte die Hand auf ihren

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