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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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Patagonien! Das Land, das Florence Dixie bereist hatte; raue Erde der Verlockungen und Träume und dahinter die Tierra del Fuego, Feuerland, das Ende der Welt.
    »Marlena!« Estellas Stimme klang noch eindringlicher. »Er ist da.«
    »Er …?«
    »John, Marlena, John ist da.«
    »Wie?« Marlena wandte sich in Estellas Blickrichtung um und erstarrte.
    John. Das war ja wirklich John.
    John, der mit Eduard in ein Gespräch vertieft auf der Terrasse saß, entdeckte sie nun ebenfalls. Er richtete noch einige kurze Worte an Eduard, dann stand er auf und steuerte auf die jungen Leute zu.
    Irgendetwas verwunderte Marlena an seinem Anblick, doch sie wusste nicht, was es war.
    »Was ist denn mit seinem Arm?«, hauchte Estella ihr in dem Augenblick zu, als sie selbst die Erkenntnis traf.
    Marlena konnte nichts erwidern, denn jetzt stand John schon vor ihr. Zuerst war sie wie erstarrt, dann rutschte sie vom Rücken ihres Pferdes.
    »Marlena!«, sagte John und lächelte sie schief an.
    Er sah gut aus, besser als je zuvor. Er war nicht mehr so schmal und ausgezehrt. Sein Haar fiel ihm verwegen bis fast auf die Schultern herab. Er trug einen Anzug, der Marlena vage bekannt vorkam. Der rechte Ärmel seiner Anzugjacke steckte in der Tasche.
    »John!«
    Er sah kurz von ihr weg, nickte den anderen zu, schenkte Estella ein längeres, erkennendes Lächeln. Dann suchte er wieder Marlenas Blick.
    »Wie geht es dir?«
    »Gut.«
    »Und den Kindern?«
    »Auch gut.«
    »Eduard hat mir erzählt, dass wir einen Sohn haben.«
    »Ja, ich habe ihn Joaquín genannt.«
    »Gehen wir ein Stück?«
    John nickte in Richtung Garten. Marlena warf Estella einen kurzen Hilfe suchenden Blick zu, dann folgte sie John, der schon vorausgegangen war, ohne ihre Reaktion abzuwarten.
    Zuerst wussten sie nicht, wie sie miteinander umgehen sollten. Vorsichtig begannen sie endlich, über das zu reden, was im vergangenen Jahr geschehen war. John erkundigte sich genauer nach den Kindern. Schließlich wagte Marlena zu fragen, was mit seinem Arm passiert sei.
    »Nichts«, John zögerte einen Moment, »ein Unfall.«
    »O mein Gott.«
    Zum ersten Mal überkam Marlena ein Gefühl der Angst. Man hatte ihm den Arm abgenommen, das hieß doch wohl, dass er in Lebensgefahr gewesen war, oder etwa nicht?
    »Ein Unfall?«
    »Ich will nicht darüber sprechen, Marlena. Es … Es ist schwierig für mich … Du sollst nur eines wissen. Deine Eltern haben mir geholfen.«
    Nach kurzem Überlegen beschloss Marlena, zu schweigen und vorerst nicht näher in ihn zu dringen.
    Ich bin froh, dass er wieder da ist, fuhr es ihr durch den Kopf. Das hätte ich nicht gedacht, aber ich bin froh.
    Doch es blieb nicht leicht. Mit Johns Auftauchen begannen bald auch die alten Auseinandersetzungen wieder. John ließ scharfzüngige Bemerkungen über Estancieros fallen und meinte Eduard damit. Er beklagte sich über die Dummheit und Trägheit der Landbevölkerung und beleidigte Appollonia und Paulino. In Buenos Aires, merkte er an, habe die Arbeiterbewegung schon in den Siebzigern ihre erfolgreichen Anfänge genommen. Sie habe es aber wohl tatsächlich verfehlt, die träge Landbevölkerung anzusprechen.
    »Wundert dich das?«, unterbrach Marlena ihn wieder einmal und schüttelte ärgerlich den Kopf. John und sie saßen sich auf der Veranda gegenüber. »Du und deine Freunde, ihr haltet den einfachen Knecht doch für einen abergläubischen Schwachkopf, der sich ignorant in sein Schicksal ergibt und eure Zuwendung deshalb gar nicht verdient.«
    »Die Knechte sind eben abergläubische Schwachköpfe, liebe Marlena, oder kannst du mir das Gegenteil beweisen? Ich sehe dich ja jeden Tag mit einem oder mehreren von ihnen lange Gespräche führen. Das muss doch sehr ermüdend sein.«
    Marlena stand ärgerlich auf und ging davon. Einige Zeit später kehrte sie mit einem schmalen Mann mit von der Sonne gegerbter Haut zurück.
    »Das ist Paulino«, sagte Marlena.
    Ah, dachte John bei sich, einer der klugen Knechte, der mir das Gegenteil dessen beweisen soll, was ich weiß. Innerlich seufzte er.
    »Setzen Sie sich, Paulino«, sagte er ergeben. Er hatte gewiss keine Lust auf einen weiteren Streit mit Marlena. »Etwas zu trinken?«
    Einige Tage später – John beobachtete wieder einmal das tägliche Geschehen im Hof von La Dulce und hing seinen Gedanken nach – merkte er, dass er sich von Buenos Aires und dem, was dort geschehen war, immer weiter entfernte. Es war, als ob Paulino ihm die Augen geöffnet hätte. Es war so

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