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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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Gewalt den Erinnerungen entreißen.
    »Du bist ebenso ein Weißer, wie ich eine Weiße bin«, stellte sie im nächsten Moment sehr nüchtern fest.
    »Sind wir nicht.« Paco sah ernst drein. »Weil sie es nicht zulassen. Schau mich an. Schau dich an. Meine Augen sind zu schwarz, unsere Haut ist zu dunkel.«
    Blanca sah einen Moment lang nachdenklich aus. Ja, vielleicht hatte er Recht, aber sollte das heißen, immer kämpfen zu müssen? Sie seufzte, sagte dann das Erste, was ihr in den Kopf kam.
    »Und wenn ich mir eine Welt wünsche, in der das anders ist?«
    »Aber das tue ich doch ebenso, Blanca. Wirst du jetzt zur Träumerin? Nun, Träume bringen uns letztendlich nicht weiter.«
    »Nein«, sie schüttelte heftig den Kopf.
    »Dann müssen wir etwas tun.«
    »Ich weiß nicht.« Blanca schüttelte nochmals den Kopf. Sie wollte nicht mehr kämpfen. Sie hatte ihr Leben lang gekämpft.
    Mina füllte die Karaffen mit neuer Limonade und richtete tamales auf großen Tellern an. Annelie hatte sie gebeten, ihr für einen Augenblick zur Hand zu gehen. Mina war sich jedoch von Anfang an klar gewesen, dass es ihrer Mutter darum nicht gehen konnte. Annelies nächster Satz überraschte sie deshalb auch nicht.
    »Aber ich sehe doch, wie er dich ansieht, Mina, du musst dich vor ihm in Acht nehmen.«
    »Aber, Mama.« Mina war es leid, dieses Gespräch immer und immer wieder zu führen. Sie war jetzt fünfundzwanzig Jahre alt, aber sie hatte den Eindruck, Annelie behandle sie jedes Jahr mehr wie ein Kind. Mina hatte längst verstanden, dass Eduard kein weitergehendes Interesse an ihr hatte. Er ließ Annelie und sie auf La Dulce wohnen – aus welchem Grund auch immer. Sie konnten sich sicher fühlen. Sie musste sich nicht mehr bemühen, ihm zu gefallen. Sie musste niemandem gefallen. Mina seufzte.
    »Paco liebt Blanca. Er schaut mich gewiss nicht an.«
    »Du sagst, dass er die Schwarze dir vorzieht? Unmöglich!«
    »Wie redest du denn, Mama? So hast du doch noch nie geredet. Es ist doch Pacos gutes Recht, sich für jemand anderen zu interessieren.«
    »Ich sage dir, du täuschst dich.«
    »Nein, gewiss nicht. Paco und Blanca gehören zueinander. Außerdem werde ich Frank ohnehin niemals vergessen. Und Paco weiß von Frank.«
    Mina erinnerte sich daran, wie Paco sie nach ihrem gemeinsamen Ausflug nach Buenos Aires zum Unabhängigkeitstag gefragt hatte, warum sie damals so traurig ausgesehen habe. Sie hörte, wie sich ihre Mutter räusperte.
    »Aber du warst nicht mehr auf der Plaza de la Victoria seit …«, hob Annelie dann fast triumphierend an.
    Mina wartete nicht darauf, dass ihre Mutter den Satz beendete. Entschlossen stand sie auf und verließ wortlos das Zimmer.

Fünftes Kapitel
    Eines Morgens – sie weilte schon vier Monate auf La Dulce – nahm Marlena erstmals wieder ihre Mappe, Stift und Papier zur Hand. Schon einige Zeit hatte sie mit dem Gedanken gespielt, etwas über die Pampa zu schreiben, über das Leben dort und vor allem über das oft schwere Schicksal der Frauen, der chinas, wie man sie unter den Gauchos nannte. Es waren deshalb auch die Frauen, die sie als Erstes ansprach. Die meisten waren recht hübsch anzusehen, jedoch durch die elenden Verhältnisse frühzeitig gealtert. Marlena setzte sich einfach ruhig zu ihnen und bat sie, aus ihrem Leben zu erzählen. Das hatte die Frauen zuerst verwundert – offenbar hatte sie noch nie jemand nach ihrem Leben gefragt -, doch dann begannen sie, recht bereitwillig zu erzählen.
    Marlena erfuhr so, dass sie ihre Familien auf kleinen Bauernhöfen aufzogen oder in den kleinen Städten im Landesinneren wohnten. Nicht wenige fristeten ihr Leben als alleinstehende Mütter, denn viele Männer waren gezwungen, ihre Familien zu verlassen, ob nun der Arbeit wegen, weil sie zur Armee genötigt oder straffällig geworden waren. Waren die Männer abwesend, so verrichteten die Frauen alle wichtigen Arbeiten, zogen darüber hinaus die Kinder auf und versorgten den Haushalt. Auf den Estancias waren sie insbesondere bei der Schafschur unabkömmlich. Sie arbeiteten wie Appollonia als Köchinnen, wuschen Wäsche, bügelten und nähten. Oder sie stellten fein gewebte Ponchos und sonstige Kleidungsstücke her. Frauen waren es, die aus Zitronen, Pfirsichen, Orangen und Aprikosen die leckersten Fruchtmarmeladen kochten. Appollonia erinnerte sich daran, dass ihre Mutter lange Jahre als Amme gearbeitet hatte und auch eine gute Brotbäckerin gewesen war. Um das Brot von Tür zu Tür zu verkaufen,

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