Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Matteo auf Mansuettas schiefer Hüfte, als hätte er schon immer dort hingehört. Er hatte seine eigene Schwester kaum noch erkannt, und es hatte Wochen gedauert, bis er wieder so bereitwillig in ihre Arme kam wie vorher.
»Wir sind schon zu weit gegangen.« Laura blickte sich um. Sie hatten den Kai am Canalezzo passiert und waren kurz darauf in eine Gasse gebogen. Danach hatte sie nicht mehr auf den Weg geachtet, aber sie wusste genau, in welcher Richtung der Ponte Rialto lag und würde daher zurückfinden. Sie war ein halbes Jahr lang oft auf eigene Faust durch die Stadt gestreift, und ein guter Orientierungspunkt war für sie stets die Piazza San Marco, die sie von ganz Venedig aus finden würde. Den Weg von dort nach Hause kannte sie gut. Der Campanile überragte die Stadt wie ein Leuchtfeuer, und war er einmal in Dunst oder Nebel verborgen, konnte doch sein Stundenläuten nicht mit dem anderer Kirchtürme verwechselt werden. In ihm gab es mehrere Glocken für unterschiedliche Gelegenheiten, und keine davon hallte so tief und mächtig wie die Marangona .
Sie gingen an einem Kanal entlang, an dem Palazzi standen, die zum Teil älter, aber nicht weniger prächtig waren als die am Canal Grande. Einer davon zog sofort Lauras Aufmerksamkeit auf sich, und sie erstarrte mitten im Schritt.
»Was ist? Komm weiter.«
»Nein«, sagte Laura. Der Mund wurde ihr trocken, und hastig wich sie ein paar Schritte zurück, die Blicke immer noch auf das Haus gerichtet, auf die meisterlich ausgeführten Fresken an der Fassade. Wie ein Gemälde erhob sich der Palazzo inmitten der unauffälligeren Nachbarbauten aus dem dunklen Wasser. Figuren aus vorchristlichen Mythen bevölkerten die Wand, die kraftvollen Gestalten in fließende bunte Gewänder gehüllt.
»Was ist mit dir?«
»Ich kenne das Haus«, sagte Laura. »Es gehört einem Mann namens Cattaneo.«
»Du kennst Giacomo?«, fragte Valeria verblüfft.
Laura fuhr zusammen – und begriff. » Er ist dein Liebhaber!«
»Ja, allerdings.«
Laura starrte sie an.
»Was schaust du so?«
»Er ist ein schlechter Mensch«, sagte Laura tonlos.
Zu ihrer Überraschung traten Valeria Tränen in die Augen. »Das denken viele, ich weiß es! Und manchmal stimmt es ja sogar! Aber er kann auch ganz anders sein!«
Laura war entsetzt. »Valeria, um Himmels willen! Wie kannst du mit diesem Mann zusammenleben! Er tut anderen ... Dinge an!« Sie schluckte hart. »Ich glaube, er tötet sogar kleine Kinder.«
Valeria wischte sich mit dem Ärmel die Tränen ab und reckte eigensinnig das Kinn. »Das ist Unsinn.«
»Er sagte, er wolle mein Vater werden. Er ließ mich und Matteo aus dem Waisenhaus zu sich holen.«
Valeria erstarrte. »Davon hast du nie erzählt!«
»Weil ich es vergessen wollte. Was meinst du, wieso ich von hier weggelaufen bin!«
»Was hat er dir getan?«
»Nichts«, räumte Laura widerstrebend ein. »Aber ich habe gehört, wie ...«
»Siehst du!«, unterbrach Valeria sie. »Ich wusste es. Du willst ihn nur schlechtmachen! Er sprach schon mal davon, dass er gern ein Kind adoptiert hätte, weil er selbst keine bekommen kann. Was soll daran verwerflich sein? Ich wette, dass du dir alles, was du gegen ihn vorbringen kannst, nur einbildest. Du hattest schon immer eine blühende Fantasie.«
Laura rieb sich die Schläfen. Im Rückblick kam ihr die Szenerie in seinem Portego selbst oft gespenstisch und unrealistisch vor, und die Unterhaltung zwischen Cattaneo und Arcanzola war womöglich nichts weiter als Gewisper von Geistern gewesen, so fern jeder nachvollziehbaren Wirklichkeit, dass sie manchmal meinte, sich alles nur eingebildet zu haben. Das war auch ein Grund, warum sie niemals mit jemandem darüber gesprochen hatte.
»Er ist ein schlimmer Mensch«, sagte sie störrisch.
»Das sagst du nur, weil du mich nicht ausstehen kannst!«
Laura trat den Rückzug an. »Ich möchte jetzt gehen.«
»Warte.« Valerias Gesicht hatte sich wieder verzerrt, ob vor Schmerzen oder Verzweiflung, war nicht zu erkennen. »Carlo wohnt hier.«
»Was?« Laura starrte das Mädchen entgeistert an. »Carlo ... Aber warum?«
»Weil er verrückt ist.« Valeria lachte bitter. »Weil er mir unbedingt hinterherrennen musste.«
»Was meinst du damit?«
Valeria zuckte nur die Achseln.
»Er ist dir gefolgt, als du zu deinem Liebhaber gezogen bist? Und was ist dann passiert?«
»Giacomo war der Meinung, dass ihm schon seit langem ein schwarzer Sklave zusteht. Er hatte Carlos Vater gekauft, weißt
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