Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
durch die engen Gassen, bis sie vor der Kräuterhandlung angekommen waren.
Crestina stutzte, als sie die Gestalt sah, die vor der Tür hockte, die Arme um den Körper geschlungen und den Kopf nach vorn geneigt, als schliefe sie. Helles Haar fiel unter der Haube hervor; es war so lang, dass die Spitzen die Bodenziegel streiften.
Das Mädchen mochte vielleicht vierzehn sein, höchstens fünfzehn. Es hob den Kopf, als der Karren rumpelnd direkt vor ihren Füßen zum Stillstand kam.
»Na endlich«, sagte sie zu Laura. »Ich dachte schon, ich müsste hier festwachsen, bis du auftauchst! Ich warte seit Stunden!«
Crestina ließ sich durch den lässigen Tonfall und die burschikosen Worte nicht täuschen. Das Mädchen war krank. Sein Gesicht war bleich, und unter den Augen lagen bläuliche Schatten. Über die rechte Wange verliefen mehrere rötliche Striemen, eindeutig von einem Schlag.
»Wer bist du?«, wollte Crestina wissen.
Das Mädchen zuckte die Achseln. »Im Grunde interessiert es niemanden, aber wenn es um meinen Namen geht – der lautet Valeria. Ich bin gekommen, um mit Laura zu sprechen.«
Sie trug teure Seidengewänder aus einem schimmernd grünen Stoff, dazu fein geschnittene Schuhe aus demselben Material. Das Grün war von einer Art, die ihren Augen einen seltenen Smaragdton verlieh, obwohl sie, wie Laura wusste, graublau waren.
Valeria hatte sich geweigert, mit ins Haus zu kommen, und so hatte Laura Crestina rasch geholfen, die Körbe abzuladen. Matteo, der bei ihrer Ankunft sofort verlangt hatte, von ihr hochgehoben zu werden, musste warten, wenn auch nicht allzu lange: Crestina hatte ihr befohlen, nicht weiter als bis zur nächsten Brücke zu gehen und spätestens zum Vesperläuten wieder zurück zu sein. Laura hatte sich Anweisungen dieser Art noch nie widersetzt; sie achtete Crestina nicht nur, sondern verehrte sie geradezu, und es wäre ihr niemals eingefallen, sie durch grundlosen Ungehorsam zu verärgern.
»Wie ist es dir ergangen?«, fragte sie höflich, nachdem Valeria sie stumm, aber mit entschlossener Miene in die nächstgelegene Salizada gezogen hatte. Die Läden entlang der gepflasterten Straße waren noch geöffnet, doch angesichts des nahenden Sonnenuntergangs schickten sich die ersten Geschäftsinhaber bereits an, ihre Auslagen hereinzuholen und die Türen zu schließen.
»Hervorragend«, meinte Valeria, doch Laura konnte sehen, dass das nicht stimmte.
»Hast du den Liebhaber gefunden, von dem du immer geträumt hast?«, fragte Laura verunsichert, nur um überhaupt etwas zu sagen.
Valeria lachte anstelle einer Antwort, doch es hörte sich eher dumpf als erheitert an.
»Er hat dich geschlagen«, stellte Laura fest. »Du trägst die Spuren davon im Gesicht. Und du siehst krank aus.«
»Schau mich an«, meinte Valeria abwehrend. »Siehst du meine Kleider? Hast du je so elegante Gewänder gesehen?«
Laura hob die Schultern. »Sie sind sehr schön.«
»Er hat mich geschlagen«, gab Valeria zu. »Aber er liebt mich auch.«
»Bist du sicher?«
»Natürlich bin ich das«, sagte Valeria gereizt. »Viele Männer schlagen ihre Frauen und lieben sie dennoch über alles. So wie Giacomo mich.« Bezeichnend deutete sie auf eine Brosche, mit der der Umhang über ihrer Gamurra befestigt war. »Er überhäuft mich mit Seide, Gold und Juwelen.« Sie wich einem Fischhändler aus, der den übel riechenden Inhalt seines Tragekorbs unmittelbar vor ihnen in den Kanal schüttete. Einer der Fische landete platschend auf der Fondamenta, und Valeria blieb stehen und starrte den Händler herausfordernd an. »Du Tölpel«, fauchte sie. »Wie kannst du einer Dame faule Fische vor die Füße werfen?«
»Es tut mir leid, Madonna «, sagte der Mann eilig. Er tippte sich an die Mütze und trat den Fisch eilig hinab ins Wasser, wo er inmitten der anderen schuppigen Leiber träge an der schlierigen Oberfläche trieb. Hastig raffte der Mann den leeren Korb an sich und eilte davon.
Mit hochmütig erhobener Nase ging Valeria weiter, und Laura folgte ihr sprachlos. Offenbar hatte der neue Liebhaber Valeria nicht nur vornehm eingekleidet, sondern sie auch gelehrt, wie man einfache Leute von oben herab behandelte. Auch Crestina hatte dies zu spüren bekommen. Auf ihre Frage, ob sie sich im Haus ein wenig erfrischen wolle, hatte Valeria herablassend geantwortet, dass bei ihr zu Hause eine Dienerin mit einem anständigen Bad auf sie warte.
»Stimmt es, dass du Dienerschaft hast?«, wollte Laura neugierig
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