Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
bohrenden Blicken der Nonne. Er fuhr abermals zusammen, als diese auf ihn zutrat, ihm die Hände rechts und links auf die Schultern legte und ihn auf beide Wangen küsste. »Mein lieber Giacomo«, sagte sie. »Natürlich verzeihe ich dir. Liebe und Hilfsbereitschaft gehören nicht nur zu den Regeln meines Ordens, sondern auch zu meinen persönlichen Maximen.« Ein kühles Lächeln glitt über ihr Gesicht. »So habe ich auch deiner kleinen ... Gespielin geholfen, ganz so, wie du es wolltest.«
»Ist sie wieder ...«
»Völlig sie selbst, befreit von allem, was sie quälte. Aber es war nicht einfach.«
»Hat sie Schäden davongetragen?«
»Das kann man nie so genau sagen. Sie wird sich eine Weile schonen müssen, also solltest du deine rohen Gelüste für ein paar Wochen zügeln.«
Carlo war der Unterhaltung verständnislos gefolgt. Er wollte Fragen stellen, doch seine Zunge war wie gelähmt.
»Ich wusste, dass auf dich Verlass ist.«
»Natürlich«, sagte die Nonne. »Bisher habe ich dir noch immer alle Wünsche erfüllt, oder nicht? Allerdings hatte ich doch sehr gehofft, dass du einmal im Kloster vorbeischaust, statt mir deine Wünsche nur schriftlich mitzuteilen. Du weißt doch, wie schwierig es in der letzten Zeit ist, hinauszukommen.«
»Ich hörte davon«, sagte Cattaneo höflich. »Der Senat plant sogar eine Reihe neuer Gesetze, um die geheiligten Mauern der Frauenklöster besser zu schützen, damit sie das bleiben, was sie schon immer waren: Bastionen der Keuschheit und des Gebets.« Einschränkend fügte er hinzu: »Oder sagen wir, sie sollten dazu gemacht werden, entsprechend dem Willen unseres Herrn. Es steht einer Stadt wie der unseren nicht an, dass in aller Welt über ihre Frauenklöster hergezogen wird wie über Lasterhöhlen.«
Das Gesicht der Nonne zeigte für einen Moment finsteren Widerwillen, doch dann legte sich wieder eine Maske der Gleichgültigkeit über ihre Züge. »Es mutet seltsam an, dich über Frömmigkeit und Sittsamkeit sprechen zu hören, Giacomo.«
»Vielleicht habe ich mich geändert«, sagte Cattaneo leichthin.
»Einer deiner Scherze, wie amüsant.« Sie betrachtete Carlo. »Du hast ein neues Spielzeug. Unglaublich, diese tiefschwarze Haut. Und wie groß er ist! Was für eine perfekte Eleganz der Gliedmaßen!« Ihr Tonfall wurde härter. »Seit wann ist dieser Mohr schon bei dir?«
»Ach, ich weiß nicht ... Nicht gar so lange.« Cattaneo wechselte abrupt das Thema. »Wann kann Valeria nach Hause?«
»Noch diese Woche.«
»Ich danke dir, Arcanzola.« Cattaneo trat einen Schritt zurück, an Carlos Seite. »Ich fürchte, ich muss nun gehen. Wichtige Geschäfte warten auf mich.«
»Auf mich nur das Kloster.« In ihren Augen zeigte sich abermals unverhüllte Wut. »Besuchst du mich?«
»Natürlich.«
»Gut. Sehr gut. Oder noch besser: Lass mich holen.«
»Du weißt, dass das nicht geht, mein Liebes. Du bist eine Braut Christi.«
»Für ein paar Stunden ginge es durchaus. Früher war es doch auch kein Problem. Unsere Zusammenkünfte ... fehlen mir.«
»Wirklich, mir auch.« Giacomo strahlte sie an, doch seine Stimme klang ausweichend. »Aber du weißt, dass die Sitten strenger geworden sind. Der Rat und die Kirche sehen es nicht gern, wenn die Bräute des Herrn sich außerhalb der Klostermauern aufhalten. Es gibt gesetzliche Vorschriften ...«
»Hör auf damit!«, unterbrach die Nonne ihn mit aufgebrachter Stimme. Aber sogleich fuhr sie in sanfterem Tonfall fort: »Vergiss mich nicht, Giacomo. Bitte vergiss mich niemals.« Die Nonne bedachte Cattaneo mit einem langen, undeutbaren Blick, dann wandte sie sich abrupt ab und ging, gefolgt von der Dienerin, quer über den Platz davon.
Cattaneo seufzte erleichtert auf.
»Was ist mit Valeria geschehen?«, fragte Carlo. »Was hat die Nonne mit ihr zu tun?«
»Unser armes Mädchen war krank, aber jetzt geht es ihr wieder gut, du hast es eben selbst gehört. Die Nonne hat sie gesund gepflegt, und dafür sollten wir dankbar sein.«
»Wer war die Frau?«
»Die Schwester des Satans, sagen manche.« Mit angeekelter Miene streifte Cattaneo ein wenig Asche von seinem Ärmel. »Nun, in Wahrheit ist sie meine eigene Schwester.«
Carlo lag die Bemerkung auf der Zunge, dass er zwischen beidem keinen Unterschied erkenne, doch er blieb stumm.
Dezember 1504
»Du da, halte dich nicht mit Fegen auf!«, befahl Raffaele dem mageren alten Mann, der für die Sauberkeit des Theaters zuständig war. »Das kannst du nach der
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