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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Mischung aus Wut, Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit zusammen, es war fast so, als könne er bereits spüren, wie all seine Zukunftspläne sich in nichts auflösten, weil die Reliquie als leuchtendes Ziel sich als Lüge zu entpuppen schien.
    Raffaele griff in die Tasche seines Wamses und zerrte und ruckte darin herum, bis er den Gegenstand zum Vorschein brachte, nach dem er gesucht hatte. Es war ein Rosenkranz, ein wertvolles Stück, wie Antonio wusste, aus echten Opalen und irisierenden Austernperlen. Der Alte hatte in seinem Leben schon vieles verpfändet und beim Würfeln verloren, doch niemals hatte er diesen Rosenkranz aus den Händen gegeben. Er hatte seiner Mutter gehört. Raffaele hielt ihn hoch und präsentierte das kleine, aus Ebenholz geschnitzte Kreuz, filigrane Arbeit eines begabten Künstlers und zugleich geweihtes Symbol der heiligen Kirche.
    »Sieh dieses Kreuz«, rief Raffaele. »Und schau in mein Gesicht. Erkenne dort die Wahrheit. Wisse, dass ich über meinen Glauben niemals lügen würde! Eher mögen mir Zunge und Herz verfaulen, als dass ich auf diese scheußliche Weise unseren Herrn Jesus Christus schmähen würde!«
    Antonio starrte ihn an und schluckte hart. Sein Blick fiel auf das Kreuz am Rosenkranz und wanderte von dort aus weiter zu der Ausbuchtung unter dem Hemd des Alten, wo, wie er wusste, die Reliquie mit dem geheiligten Blut ruhte. Mit hängenden Armen wandte er sich ab und gab vor, sich wieder mit dem knarrenden Flaschenzug zu beschäftigen.
    Er hatte soeben erkannt, dass die Grenzen zwischen dem, wonach er strebte, und dem, woran er glaubte, fließend waren. Wollen und Glauben mussten nicht immer eins sein; wichtig war nur, niemals sein Ziel aus den Augen zu verlieren.
    Ippolito deutete auf die Kurbel. »Fett«, sagte er. »Schmier ordentlich Talg drauf, dann geht es besser. Und glaub dem Alten kein Wort.«
    Antonio ölte die Apparatur, aber was die restliche Empfehlung Ippolitos betraf, so klammerte er weitere Überlegungen fürs Erste lieber aus.
    Am Abend, während der Vorstellung, schielte er immer wieder aus den Augenwinkeln zu der Plattform hinüber und lauschte mit einem Ohr dem Geräusch der Kurbel, die sich hinter den fleckigen Stoffbahnen drehte, doch seine Sorge war unbegründet.
    Dann wanderte sein Blick zu den Reihen der Zuschauer. Die Fackeln, die den Bühnenbereich ausleuchteten, erhellten auch einen Teil des Publikums. Ein silberner Reflex erregte Antonios Aufmerksamkeit, eine Wellenbewegung, die so glatt und geschmeidig war, als glitte eine Bahn aus Seide herab. Es war Valeria, die den Kopf zur Seite wandte und dabei ihr Haar mit den Fingern glatt strich. Zu ihrer Linken befand sich Carlo, wie Valeria in teure, mit funkelnden Applikationen bestickte Gewänder gehüllt, die sich auffällig gegen seine schwarze Haut abhoben. Sein Gesicht wirkte stoisch, der Ausdruck in seinen dunklen Augen undeutbar. Statt eines Baretts trug er einen Turban wie ein Osmane, was sein fremdartiges Äußeres noch unterstrich. Er sah aus der Entfernung beinahe so aus wie jemand aus der Schauspieltruppe, der sich als Mohr verkleidet hatte, für ein Stück, das sie gerade für die kommende Karnevalszeit einstudierten.
    An Valerias anderer Seite saß der Mann, der für Antonios Einkerkerung verantwortlich war, Giacomo Cattaneo. Er war maskiert, aber Antonio hatte keine Schwierigkeiten, ihn trotzdem zu erkennen, sei es nun an der hochmütigen Haltung des Kopfes oder an der höhnischen Linie, die seine Lippen beim Lächeln bildeten.
    Kurz wallte in Antonio die Erinnerung daran auf, wie der Mann Laura mit seinem Degen verletzt hatte. Laura, die Gassenrange mit den feuerroten Haaren, die das Stehlen hasste. Er musste immer noch an sie denken, manchmal, wenn er abends nicht einschlafen konnte. Mindestens ebenso oft aber dachte er an Valeria, ihr leuchtendes Seidenhaar, ihre perlmuttzarte Haut und ihr rätselhaftes Lächeln. Dann sah er wieder den Kamm durch die hellen Strähnen gleiten und das Kerzenlicht auf ihren bloßen Armen schimmern, sah, wie sich ihre Brüste unter dem schäbigen Kleid bewegten, immer im Rhythmus ihrer Bewegungen. Und er hörte die Seufzer und das Kichern hinter der Schilfwand, er roch die moschusartige Ausdünstung ihrer Freier, dieselbe, die auch er verströmte, wenn er sich im Hinterhof Erleichterung von seinen Qualen verschafft hatte.
    Noch nie hatte er eine Frau besessen, ein Zustand, den er als quälend empfand. Ihm fiel ein, dass er Geld hatte, ziemlich viel sogar.

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