Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Vorstellung machen, da lohnt es sich wenigstens.«
Ohne sich umzuwenden, warf der Alte den Reisigbesen zur Seite und schlurfte davon, im Weggehen eine Flasche an den Mund setzend.
»Das war ein Fehler«, meinte Raffaele reumütig zu Antonio. »Und weißt du auch, wieso?«
Antonio musste nicht über die Antwort nachdenken. »Weil er sternhagelvoll sein wird, wenn die Vorstellung zu Ende ist, und dann ist die Bühne dreckiger als je zuvor.«
»Du sagst es. Mein Plan war es, ihn etwas tun zu lassen, das sinnvoller wäre, als vor der Vorstellung zu fegen. Aber noch während er den Besen hinschmiss, wurde mir klar, dass er zu anderen Dingen nicht zu gebrauchen ist. Er ist zu schwach, um die Bühnenbilder zurechtzuschieben und die Bänke aufzubauen. Also werden wir es wohl selbst machen müssen.«
Antonio machte sich achselzuckend ans Werk. Wie meistens sprang Raffaele die ganze Zeit, während der er selbst die Kulissen auf die Bühne schleppte, um ihn herum und geizte nicht mit guten Ratschlägen. »Du machst das sehr gut. Meine Güte, wie deine Muskeln schwellen, wenn du diesen Gipskarton hebst! Dein Vater muss stark wie ein Ochse gewesen sein! War er das, mein Junge?«
»Woher soll ich das wissen?«, gab Antonio entnervt zurück. »Ich sagte dir doch, dass ich mich kaum an ihn erinnern kann.«
»Da geht es dir wie mir. Oder sagen wir: Mir geht es weit schlimmer. Ich kannte meinen Vater überhaupt nicht. Erzählte ich dir schon, was meine Mutter über ihn sagte?«
»Ja. Er war ein Teufel in Menschengestalt. Eine Kreuzung aus bocksfüßigem, lüsternem Höllendämon und grausamem Sarazenen, der sich deine Mutter mit Hilfe eines Krummsäbels gefügig machte. Das Ergebnis warst du.«
»Oh«, sagte Raffaele mit sichtlichem Erstaunen. » Das habe ich dir erzählt?«
»Ja, wieso?«
»War ich da sehr betrunken?«
»Nicht mehr als sonst.«
»Also ziemlich«, meinte Raffaele vergnügt. »In Wahrheit war mein Vater der jüngste Sohn eines erlauchten Herrn. Unehelich, versteht sich, aber dieser Makel hat meinen Großvater nicht daran gehindert, den Jungen zärtlich zu lieben und ihn mit dem Besten auszustatten, das für Geld zu haben war.«
»Wirklich?«, fragte Antonio zweifelnd, während er energisch an der Kurbel zerrte, um die Festigkeit des Seils an der Hebevorrichtung zu prüfen, einem primitiven Flaschenzug, der dafür sorgen sollte, dass eine hölzerne Plattform auf der Bühne wahlweise nach oben oder unten gleiten konnte.
»Aber ja. Er war ein edler Mann, das sagte ich doch. Er war ein großer Condottiere , er hat mich sogar den Umgang mit dem Schwert gelehrt. Keiner focht fintenreicher als er, und ich trat mit der Waffe in seine Fußstapfen.«
Antonio zog kräftiger an der Kurbel. Vom Effekt her war es so gedacht, dass es gleichsam wie von Zauberhand vonstattengehen sollte, jedenfalls hatte er es mit dieser Vorstellung im Kopf konstruiert, nachdem er sich das Prinzip bei einem Lastkran am Hafen abgeschaut hatte. Leider wies die Apparatur noch diverse Schwächen auf. Die Kurbel knarrte und ächzte erbärmlich, wenn er daran drehte, und die Plattform ruckte auf eine Weise, die bei den Proben für wieherndes Gelächter unter den Komparsen gesorgt hatte. Antonio hatte sie ignoriert und diverse Verbesserungen vorgenommen. Es bedurfte einiger Kraft, um die Kurbel in Gang zu setzen, doch bewegte sie sich erst einmal, ging alles ganz leicht. Das Rucken hatte er mit einem großen Steinbrocken in den Griff bekommen, der von einem zweiten Seil gehalten wurde und als Gegengewicht über einem Balken in der Deckenkonstruktion pendelte. Jetzt war nur noch das Problem zu lösen, wer die Hebeapparatur bedienen sollte, während Raffaele in Gestalt seines Alter Ego, Menelaos, daraufstand, und er, Antonio, auf der Bühne den Helden Achill gab. Es musste natürlich jemand sein, der über die Maßen stark war, auf keinen Fall einer der Schwächlinge, die als Hilfskräfte hinter den Kulissen oder als Komparsen arbeiteten.
»Wenn dein Vater ein Condottiere war, wieso musstest du dann als betrunkener Theaterintendant durch die Lande tingeln?«
»Nicht mein Vater, dieser Primitivling, sondern mein edler Großvater, du kleinhirniger Erbsenzähler«, versetzte Raffaele in beleidigtem Tonfall. »Und von betrunken kann gar keine Rede sein. Jedenfalls nicht mehr als sonst.«
»Also ziemlich«, meinte Antonio mit gutmütigem Spott.
Raffaele hatte immer noch ein Gespür für eine gute Pointe, er lachte herzlich. »Du hast das Zeug zu
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