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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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In der vergangenen Woche hatte er zwei Gefäße mit geheiligter Erde von der Schädelstätte Golgatha verkauft. Der Abt, der die Tonkrüge von einer Pilgerfahrt mitgebracht hatte, wollte ihm für das verfügbare Kapital ursprünglich nur einen überlassen, doch Antonio hatte ihn mit der inzwischen glaubhaft verwitterten griechischen Statue geködert und damit den Handel perfekt gemacht. Die Erde hatte er, versehen mit einem umständlich verfassten und gesiegelten Beglaubigungsschreiben des Abtes, an einen Deutschen losgeschlagen, der im Auftrag seines Herrn, eines hohen deutschen Adligen, ganz Italien auf der Suche nach Reliquien durchstreifte, deren Echtheit verbürgt war. Antonio besaß seither so viel Geld wie nie zuvor. Vom Erwerb eines Palastes war er gleichwohl weiter weg als die Erde vom Mond. Wie er inzwischen wusste, war kein Pflaster der Welt teurer als die Ufer beidseits des Canalezzo, das Rialtoviertel und San Marco mit eingeschlossen. Schon ein kleines Gewölbe am Wasser, das zu nichts weiter taugte als zur Einrichtung eines Kontors, war nicht unter hundert Dukaten zu haben. Nicht einmal das würde er sich auf absehbare Zeit leisten können, ganz davon abgesehen, dass er überhaupt nicht vorhatte, ein Kontor zu betreiben. Doch das Geld würde reichen, um eine gute Hure zu bezahlen. Eine sehr gute. Vielleicht sogar Valeria.
    Cattaneo legte Valeria den Arm um die Schultern und streichelte ungeniert ihre Brust. Dabei starrte er Antonio unentwegt an, auf eine Art, die klarmachte, dass er alles wusste. Er wusste um Antonios Begierden und Träume, und er machte sich dieses Wissen zunutze, um es als Waffe gegen ihn zu verwenden. Hass wallte in Antonio auf, schmerzhaft scharf wie ein Messer, das ihm in die Eingeweide fuhr. Er sah die Hand auf Valerias Brust und widerstand dem Drang, sich auf den Mann zu stürzen und seinen Dolch in dessen Hand zu stoßen, durch Fleisch und Sehnen, tief hindurch, vielleicht sogar in die Brust darunter.
    »Dein Antlitz ist fürwahr das allerschönste hier!« Die Worte waren wie ein Windhauch aus weiter Ferne.
    Cattaneo lächelte ihn an, und Valeria folgte seinen Blicken. Ihre Augen waren hell, fast schimmerten sie wie ihr Haar, das wie Wasser über ihre Schultern floss.
    »Dein Antlitz ist fürwahr das allerschönste hier«, zischte es von links hinten.
    Antonio fuhr zusammen und landete mit einem Schlag in der Wirklichkeit. Es war noch nie vorgekommen, dass ein Souffleur ihm beistehen musste, denn kein einziges Mal hatte er bisher während einer Vorstellung den Faden verloren. Doch heute war es geschehen. Der Souffleur waltete seines Amtes, hinter ihm, von den Tüchern der Umspannung verborgen.
    Vor ihm stand Lionello, der Junge, der die Sklavin Briseis verkörperte, eine blonde Perücke auf dem Kopf und das Knabengesicht zu lieblicher Mädchenhaftigkeit geschminkt. Er blickte Antonio an wie ein entsetztes Schaf, und Antonio begriff, dass er seinen Einsatz schon seit geraumer Zeit schuldig war.
    »Dein Antlitz ist führwahr das allerschönste hier«, wiederholte Antonio folgsam den Text, während er bereits ahnte, dass dies nicht der letzte Aussetzer bleiben würde. Er sah, wie Raffaele sich seitlich hinter den Kulissen die Haare raufte, doch es interessierte ihn nicht weiter. Er wandte seine Blicke wieder den Zuschauerrängen zu, suchte Valeria. Doch als er die Stelle ausgemacht hatte, wo sie mit Carlo und Cattaneo hätte sitzen müssen, sah er, dass sie gegangen waren.



  Januar 1505
     
    Der Schuppen, den Crestina manchmal scherzhaft ihre Hexenküche nannte, war am hinteren Teil des Hauses angebaut. Darin war die Offizin untergebracht, mitsamt allen Laboratoriumsgeräten, die zur Herstellung von Medikamenten und Mitteln für die Schönheitspflege nötig waren. Der Anbau war kaum halb so breit wie das Hauptgebäude, also ausgesprochen schmal, aber dafür lang genug, um einer ausreichend großen Anrichte Platz zu bieten, die sich über die ganze Längswand erstreckte und auf der sich Brennkessel, Mörser, Spatel, Blasebalg, Waage und etliche Phiolen befanden. Unter der Arbeitsfläche sowie darüber an der Wand waren Borde angebracht, auf denen die unterschiedlichsten Behältnisse aufbewahrt wurden. Wie vorn im Laden wurden auch hier Kräuter gelagert. Sie hingen in Büscheln von der Decke und der Wand zum Trocknen oder waren zerfasert oder gehäckselt in Säcken und Kisten gefüllt. Es gab jedoch auch zusätzliche Tiegel und Flaschen, in denen sich die Flüssigkeiten, Fette

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