Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
betrachten. Die kupfrigen Locken, die im Halbdämmer des Schuppens von irgendwoher einen Sonnenstrahl einfingen und ihn in rote Funken verwandelten. Die katzenhaft leuchtenden Augen, so blau wie Lavendel an einem kühlen Tag. Das strahlende Lächeln, das ihr galt, der Ziehmutter und Lehrherrin, und das ihr das Herz weit werden ließ.
Doch Crestina schien es, als mischte sich eine leise Unsicherheit in dieses Lächeln, und bei genauerem Hinsehen war auch das Flattern der Lider sowie das schnelle Klopfen des Pulses an der zarten Kehle wahrzunehmen. Laura legte eine Hand an den Hals, untrügliches Zeichen dafür, dass sie sich in einem Ausnahmezustand befand und mühsam versuchte, gelassen zu erscheinen. Crestina fragte sich flüchtig, ob Laura heute etwas erlebt hatte, das mit jenem dunklen Teil in ihrer Vergangenheit zusammenhing, über den das Mädchen niemals sprach, doch wie es sich auch immer damit verhielt, die Würfel waren gefallen, und nun würde alles so voranschreiten, wie es das Schicksal verlangte.
»Wir werden eine Magd einstellen«, sagte sie. »Die Arbeit und die Verantwortung für dich allein werden sonst zu viel.«
Schweigen breitete sich aus und erfüllte die warme, vom Duft der Kräuter und Blumen geschwängerte Luft. Crestina nahm weitere Details wahr. Das Öl an Lauras Fingern, vom Zubereiten einer Pflanzenpaste auf Talgbasis, die Fettflecken, die den Arbeitskittel in einen Sack Lumpen verwandelten, in dem kein Engel lieblicher hätte aussehen können als dieses junge Geschöpf.
Laura nahm die Hand von ihrem Hals und drehte sich zur Anrichte, wo sie begann, in einem Mörser Mohnsaat zu zermahlen. »Eine Magd ... Nun ja, wieso nicht. Eine gute Idee eigentlich. Sie kann sich um das Haus kümmern, und du kannst dich endlich mehr ausruhen.«
»Ja, das kann ich.« Crestina wurde das Atmen schwer. Tränen wollten sich in ihre Augen drängen, und der Schmerz des nahenden Abschieds krampfte sich wie eine Faust um ihr Herz. »Ich habe schon jemanden ausgesucht, sie wird heute noch kommen und sich vorstellen.«
»Du sagst das so ernst«, meinte Laura. Ihre Miene zeigte Beunruhigung. »Fühlst du dich nicht gut?« Eilig trat sie auf Crestina zu und nahm ihren Arm. »Komm, ich führe dich ins Haus, Nonna.«
Crestina lächelte mühsam. Der Kosename, den Laura wie selbstverständlich von ihrem Bruder übernommen hatte, erfüllte sie mit Zärtlichkeit, doch zugleich tat er auch weh, denn sie wusste, dass sie ihn gerade eben vielleicht zum letzten Mal in ihrem Leben gehört hatte.
»Ich bin alt«, sagte sie, während sie sich von Laura ins Haus führen ließ. »Und im Alter muss man manche Vorkehrungen treffen, wenn man seine Lieben nicht mit unzähligen beschwerlichen Lasten zurücklassen will.« Sie ließ sich auf ihren Lehnstuhl sinken. Das Knistern des Briefes in ihrer Schürze ignorierte sie. »Wenn ich einmal nicht mehr unter euch bin ...«
»Was redest du da?« Laura fiel ihr ungehalten ins Wort, die eigene Nervosität hatte sie offenbar für den Moment vergessen. »Du hast Gicht, aber ansonsten bist du kerngesund. Du hast noch viele gute Jahre vor dir, und ich werde dafür sorgen, dass du dich noch lange an uns allen erfreuen kannst.« Sie lächelte, und in ihren Wangen erschienen die Grübchen, die sie in gewissen Augenblicken immer noch wie ein hinreißendes Kind aussehen ließen. »Ich weiß, was du brauchst.« Sie eilte zum Wandbord und nahm eine Flasche herunter. »Es ist zwar erst Nachmittag, aber ein kleiner Schluck zur Stärkung vor der Vesper hat noch nie geschadet.«
Crestina nahm den Becher mit dem Grappa, den Laura ihr reichte. Sie nippte daran und suchte nach Worten, um das Nötige zu sagen, nur um gleich darauf festzustellen, dass sie es nicht fertigbrachte.
Schreiben, durchfuhr es sie mit einem Mal. Warum nicht einfach alles aufschreiben? Erleichtert nahm sie einen größeren Schluck. Laura hatte recht, der Schnaps tat ihr gut, er beruhigte sie und dämpfte ihre Sorgen. Der Alkohol rann mit betäubendem Brennen durch ihre Kehle, während sie im Geiste bereits ihre schriftlichen Erklärungen formulierte.
Die Türglocke der Apotheke klingelte, und die Macht der Gewohnheit veranlasste Crestina, sich hochzustemmen, um in den Laden zu gehen und nach der Kundschaft zu sehen.
Doch Laura fasste sie bei den Schultern und drückte sie zurück auf den Stuhl. »Du bleibst sitzen und ruhst dich aus. Ich kümmere mich um alles, Nonna. Dafür bin ich doch da.«
Ja, dachte Crestina. Dafür
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