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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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wenig nachdenken, mir wird es sicher gleich wieder einfallen. Normalerweise vergesse ich keine Gesichter. Indes ... Sie hat uns belauscht, so viel ist sicher. Ihr regelt das doch, Messèr Bragadin?«
    »Verlasst Euch drauf.«
    Diese grimmige Bemerkung von Antonio waren die letzten Worte, die sie aus dem Kontor hörte, bevor Tiziano die Tür hinter ihnen zuzog. Sein Gesichtsausdruck wirkte kläglich; weniger aufgrund der zuletzt gewechselten Sätze zwischen den beiden Männern im Kontor – ihm war anzumerken, dass er gar nicht darauf geachtet hatte –, sondern vielmehr, weil ihm die ganze Situation ersichtlich peinlich war.
    »Wie konnte das geschehen! Ihr musstest die ganze Zeit auf dem dummen Gerüst draußen stehen, während die Herren sich unterhielten! Wie schrecklich Ihr Euch gefühlt haben müsst! Wie ... wie ausgesetzt!«
    Das war nicht die passende Umschreibung. Sie hätte nur nach oben oder unten klettern oder durch eines der anderen offenen Fenster steigen müssen, um der Situation zu entfliehen, doch darauf wäre sie nicht im Traum verfallen. Dafür waren die Einzelheiten, die sich da so unvermutet vor ihr ausgebreitet hatten, viel zu spannend und aufschlussreich gewesen. Nach all den Jahren wieder von ihm zu hören! Um nichts in der Welt hätte sie das versäumen mögen. Zu dumm nur der Moment der Peinlichkeit, als Tiziano aufgetaucht war und ihre Schande vor den beiden Männern offenbarte, weil die Zeit zum Verschwinden nicht mehr gereicht hatte. Niemals zuvor in ihrem Leben hatte sie eine derartige Erniedrigung empfunden. Sie hätte im Boden versinken mögen vor Zorn und Scham, dass ihr das passieren musste!
    Aufgepeitscht von ihren widersprüchlichen Empfindungen lief sie neben Tiziano her und bekam kaum etwas mit von seinem beständigen Redefluss. Er erläuterte ihr seine Arbeitspläne und erzählte ihr auch von seinen privaten Angelegenheiten. Augenscheinlich dürstete ihn danach, sich ihr mitzuteilen, doch sie konnte ihm nur mit halbem Ohr lauschen, weil es in ihrem Kopf nur so wirbelte von Gedanken.
    Wie er ausgesehen hatte! War er schon vor drei Jahren für sein Alter groß und kräftig gewesen, so war er jetzt ein Riese, noch größer als Giorgione. Er war so hochgewachsen, dass er vermutlich bei jeder Tür, die er durchschritt, den Kopf einziehen musste, um nicht anzustoßen, und seine Schultern waren so breit, dass sie die Sicht auf dahinterliegende Gegenstände völlig zu versperren schienen. An seinem Äußeren erinnerte nichts an den zerlumpten Knaben oder den schäbig gekleideten Jüngling, dem sie zuletzt in der Nacht des Brandes begegnet war. Vorhin war er ihr erschienen wie eine eigenartige Mischung aus Kaufmann und Krieger, gekleidet in schlichtes dunkles Tuch, aber gleichzeitig Schwert und Dolch um die Hüften gegürtet, als wolle er jederzeit bereit sein, sich in einen bewaffneten Kampf zu stürzen. Sein Haar trug er ungewöhnlich kurz geschnitten, ohne die Locken, die ihm noch als Knaben einen Anstrich spielerischer Lieblichkeit verliehen hatten. Nun besaß er die kraftvolle Ausstrahlung eines Ares in voller Rüstung, ebenso bezwingend wie gefährlich.
    Auf dem Weg zur Treppe lauschte sie über die Schulter nach hinten, in der Sorge, er könne sich entschließen, ihr zu folgen. Ihr Atem stockte, während sie sich ausmalte, dass er sie packen und zu sich herumreißen würde, bevor er ihr seine Anklagen entgegenschleuderte. Sie hatte nicht nur einfach gelauscht, sondern Geheimnisse mit angehört, die sich um gefährliche, verbotene Geschäfte drehten.
    Ihr regelt das doch, Messèr Bragadin?
    Verlasst Euch drauf.
    Sie schauderte und hatte es mit einem Mal sehr eilig, zum Boot zurückzukommen.
    Sie überquerten den großen Innenhof und traten durch den kanalseitigen Eingang auf die Fondamenta hinaus, wo Isacco ungeduldig wartete. Zu ihrer Erleichterung saß auch Matteo bei ihm im Boot, sodass sie sofort aufbrechen konnten.
    »... damit einverstanden, Madonna?«, fragte Tiziano in ihre wirren Überlegungen hinein.
    »Sicher«, sagte sie zerstreut.
    »Ihr habt noch gar nicht gesagt, wie Ihr meine Fresken findet.« Er streckte die Hand aus, um ihr ins Boot zu helfen.
    »Sie sind wundervoll«, sagte Laura, in der ehrlichen Überzeugung, dabei keine Schmeichelei auszusprechen. Während sie draußen auf dem Gerüst gestanden und die Unterhaltung im Kontor mit angehört hatte, war ihr die Wandbemalung nur am Rande aufgefallen, doch soweit sie sich erinnerte, war jedes Detail mit

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