Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
herkömmlicherweise niemand auf den Gedanken gekommen wäre, sie zu mischen, und die Ergebnisse waren durchweg so, dass sie allen mundeten.
Laura dachte manchmal, dass sie und Mansuetta sich tatsächlich ähnlicher waren, als sie bisher hatte wahrhaben wollen. Rein äußerlich mochten sie bis auf das rote Haar und die strahlend weißen Zähne nichts gemeinsam haben, doch von ihrem Wesen her wiesen sie so manche Übereinstimmung auf. Während Laura im Laboratorium hinterm Haus köchelte, mixte und rührte, tat Mansuetta dasselbe in der Küche. Auf diese Weise trugen sie beide zur Erhaltung der Familie bei. Mansuetta sorgte für ihr leibliches Wohl, und sie selbst für das pekuniäre.
»Kann ich bitte noch etwas bekommen?«, fragte Matteo, während er seinen leeren Teller hochhob.
»Falls deine Schwester – unsere Schwester – dir noch einen Happen übrig lässt«, meinte Mansuetta missfällig.
Laura stand ruckartig auf. »Lass dir doch von unserer Schwester noch etwas auftun!«, stieß sie hervor.
Matteos kindliches Gesicht nahm einen betroffenen Ausdruck an. »Bist du böse auf mich?«, fragte er verunsichert.
Laura schluckte den Kloß, der in ihrer Kehle steckte, hinunter. »Unfug«, sagte sie. Hastig beugte sie sich über ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Was habt ihr beiden eigentlich, du und Mansuetta?«, wollte Veronica wissen. Ihr zartes Gesicht wirkte im Widerschein des Kochfeuers rosig. Ein Trugschluss, wie Laura wusste. Veronica war bleich wie ein Laken, sobald sie ins Tageslicht trat. Sie hatte nur die Hälfte von ihrer Portion verzehrt und dann den Appetit verloren. Hustend schob sie ihren Teller beiseite. »Ihr streitet euch immerzu, und dabei seid ihr doch Schwestern!«.
Sie wusste über die bis dato unbekannte Familienkonstellation Bescheid, ebenso wie Matteo, denn Mansuetta hatte es beiden mitgeteilt. Vor allem bei Matteo hatte sie förmlich darauf gebrannt, es ihm zu erzählen. Matteo hatte es mit überraschendem Gleichmut registriert und mit einer Bemerkung kommentiert, die Mansuetta für den Rest des Tages glänzende Laune beschert hatte. Für mich warst du sowieso immer meine Schwester, genau wie Laura.
Auch das war eine Tatsache, über die Laura nicht nachdenken wollte. Warum auch, wo sie doch viel schwerwiegendere Sorgen hatte.
Das Feuer vom Herd erfüllte die Küche mit angenehmer Wärme, doch mit einem Mal schien ein Hauch von Kälte hereinzuziehen, obwohl alle Türen und Fenster fest verschlossen waren. Laura fröstelte und widerstand dem Bedürfnis, die Arme um sich zu schlingen. Es tat ihr schon wieder leid, dass sie die Beherrschung verloren hatte. Mansuetta war zurzeit ein wenig kratzbürstiger und empfindsamer als sonst, doch das war nur zu verständlich. Schließlich hatte sie erst vor kurzem erfahren, dass die Frau, die sie ihr Leben lang für ihre Mutter gehalten hatte, nur eine Vertraute ihrer wirklichen Mutter gewesen war. Dafür Matteo als Bruder zu gewinnen hatte offenbar diesen Schock nicht aufwiegen können.
Rastlos ging Laura zurück in den Laden, um ihre Arbeit fortzusetzen. Sobald sie mit Putzen fertig war, würde sie im Gartenhäuschen mit den Experimenten weitermachen, die sie in der letzten Woche begonnen hatte. Sie würde sich einfach zwingen, die dafür nötige Konzentration aufzubringen, und diesmal würde sie sich, anders als bei den beiden ersten Versuchen, weder die Finger verbrühen noch die guten Zutaten verderben, sondern alles exakt so handhaben, wie es die Wissenschaft vorgab.
Neulich hatte Isacco ihr ein Buch aus der Druckanstalt mitgebracht, das er ins Venezianische übersetzt hatte, eigens für sie. Sie hatte aus ihrer Begeisterung über dieses Geschenk keinen Hehl gemacht und es sofort mit Feuereifer verschlungen. Es trug im lateinischen Original den Titel Liber di arte distillandi und war in mehrfacher Hinsicht interessant. Zum einen erklärte es die Technik der Destillation, zum anderen beschäftigte es sich mit der Heilkraft des Baldrians. In dem Werk hatte der Autor die These aufgestellt, dass Baldrianwurzel die Sehkraft stärke. Ein Ergebnis der Lektüre war der neue Alambik , mit dem Laura nun experimentieren konnte, und das andere bestand in der Erprobung unterschiedlicher Verarbeitungsmethoden zur Gewinnung von Baldrianextrakt. Wenn Baldrian Mansuetta half, besser zu sehen, wäre es vielleicht auch gleichzeitig ihrer Laune zuträglich, denn aus Lauras Sicht schien das eine wesentlich mit dem anderen zusammenzuhängen.
Wieder
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