Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Ziegenkäse, die sie einem entgegenkommenden Marktweib abgekauft hatten.
»Mögt Ihr mein Essen nicht, weil es nicht Eurem jüdischen Glauben entspricht?«, erkundigte sich Antonio. Ihm war, wenn auch verspätet, wieder eingefallen, warum Mosè sein Brot nicht annehmen wollte. Es lag an den besonderen Vorschriften, die Juden beachten mussten, wie er irgendwann gehört hatte. Es war so ähnlich wie bei den Christen, die freitags kein Fleisch essen sollten, nur dass es bei den Juden generell verboten war, bestimmte Nahrungsmittel zu verzehren. So war beispielsweise Schweinefleisch verpönt, ebenso Gerichte, bei denen Fleisch in Milch zubereitet wurde. Essgeräte wie Teller, Löffel oder Messer mussten stets auf eine Weise benutzt werden, die diesem Verbot gerecht wurde. Benutzte man eine Schale, um daraus ein Milchgericht zu essen, so war für das Fleisch ein anderes Gefäß vorgeschrieben, und zwischen beiden Gerichten musste ein zeitlicher Abstand gewahrt bleiben. An bestimmten Tagen durfte kein gesäuertes Brot gegessen werden, wie sich Antonio nun auch wieder erinnerte. Möglicherweise handelte es sich heute um einen dieser Tage. Vielleicht lag es aber auch an dem großen Schinken, den Antonio bis vor zwei Tagen in der Satteltasche mitgeführt hatte, bevor er ihn mit Raffaele und Ippolito geteilt hatte. Die Tasche roch immer noch durchdringend nach der Würze des geräucherten Schweinefleischs.
Auf Antonios Frage hin entblößte Mosè lächelnd die Lücke zwischen seinen Vorderzähnen. »Mein lieber Junge, ich esse koscher , wenn es irgend geht. Solange ich zu Hause bin, lege ich darauf großen Wert, so wie ich auch unsere übrigen jüdischen Traditionen beachte. Aber wer wie ich oftmals für Wochen oder gar Monate über Land reist, kann nicht immer vermeiden, Dinge zu essen, die vielleicht trefe sind.« Erklärend setzte er hinzu: »Ich esse niemals vom Schwein, aber ich kann nicht verlangen, dass meine Gemüsesuppe aus einem Topf kommt, in dem nie Milch gekocht wurde. Ich brauche Fleisch, um bei Kräften zu bleiben, aber ich kann nicht in jeder Herberge, die am Wege liegt, darauf bestehen, dass man mir nur welches serviert, das vom Schächter kommt. Ich verschmähe auch nicht den christlichen Wein. Und was Euer Brot betrifft, so verzichte ich darauf nur deshalb, weil mich seit heute Morgen ein wenig die Gedärme zwicken. Ich glaube, mir ist der Käse schlecht bekommen.« Er grinste kläglich. »Ich möchte alles vermeiden, was mich zwingen könnte, bei diesem Wetter meine Hosen herabzulassen.«
Er deutete auf die übrigen Männer der Kavalkade, die auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers hockten. »Es würde zudem meine Autorität untergraben. Jemand, der stöhnend und scheißend im Gebüsch hockt, wird nicht ernst genommen.«
Antonio lachte. »Sie würden es nicht wagen, Euch deswegen gering zu schätzen.«
»Oh, aber nur, weil Ihr neben mir sitzt, so groß und stark wie Herkules, mit einer Arkebuse am Sattel, einem langen Schwert und einem Dolch, mit dem Ihr schneller seid als der Blitz. Wärt Ihr nicht hier, würde ich nicht nur gering geschätzt, sondern überhaupt nicht. Dann wäre das Gold längst weg und meine Kehle von einem Ohr bis zum anderen aufgeschlitzt.«
Da mochte was dran sein, überlegte Antonio leicht bedrückt. Sie hatten so viel Gold dabei, dass es ihm schwindlig wurde, wenn er nur daran dachte, und er war ziemlich sicher, dass die Männer es bereits mitbekommen hatten. Zu seinem Verdruss hätte er für keinen, abgesehen von Raffaele und Ippolito, seine Hand ohne Wenn und Aber ins Feuer legen mögen. Außer den beiden und dem einheimischen Führer, einem leutseligen kleinen Ungarn, reisten als Geleitschutz sechs Griechen mit ihnen, schweigsame, stiernackige Männer mit sonnenverbrannten und teils vernarbten Gesichtern. Sie sprachen kaum Venezianisch. Ihre Helme und abgewetzten Lederharnische waren mit Scharten von Schwerthieben und Kerben von abgeprallten Pfeilspitzen übersät, Zeugnis ihrer Kampferfahrung. Sie waren in den Scharmützeln der Franzosenkriege und im letzten Türkenkrieg für Venedig ins Feld gezogen, Männer eines in Größe und Zusammensetzung stets wechselnden Heeres, das wie nahezu alle Bodentruppen der Serenissima aus angeworbenen Söldnern bestand.
Unter den Pferden, die sie an den nahen Bäumen angebunden hatten, kam Unruhe auf. Antonios Hengst hob witternd den Kopf und legte die Ohren an. Gleich darauf war Hufschlag zu hören, der donnernd lauter wurde, als
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