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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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knirschte mit den Zähnen, obwohl Crestina sie gelehrt hatte, dass das schädlich sei, für das Gebiss ebenso wie für das Gemüt. Ihr Drang, sich körperlich abzureagieren, hätte sie um ein Haar dazu verleitet, einen Schemel gegen die Wand zu schleudern. Oder die Inhalte der Behältnisse, die in den Regalen des Ladens aufgereiht waren, herauszureißen und alles kreuz und quer durch den Raum zu werfen.
    Stattdessen nahm sie den Schemel, stellte ihn umgedreht auf einen zweiten und erklomm dieses wacklige hölzerne Gebilde, indem sie auf zwei der in die Luft ragenden Stuhlbeine stieg. Sie musste dabei hin und her balancieren, um die bedenklich kippende Konstruktion im Gleichgewicht zu halten, doch das tat ihr Körper für sie, mit einer Leichtigkeit, die sie noch stets zufriedengestellt hatte, wenn es um ihre Geschicklichkeit ging. Sie wischte mit einem feuchten Lappen die oberen Regalbretter und die dort stehenden Gefäße ab, doch in Gedanken war sie woanders.
    Sie wusste, dass sie sich den Kopf darüber zerbrechen sollte, wo Crestina sich aufhielt, und ob sie vielleicht bald wiederkäme, doch innerlich kreiste sie ständig nur um die Frage, warum er ihr das angetan hatte. Und wie weit er jetzt wohl schon gereist war. Wenn er tatsächlich in der Woche nach ihrer letzten Zusammenkunft aufgebrochen war, wäre er zumindest bereits in Ungarn. Das Land konnte mit dem Schiff erreicht werden, es grenzte an die östliche Küste der Adria. Sie hatte sich das ungarische Königreich von Isacco auf der Karte zeigen lassen. Gemessen an den Ausdehnungen der venezianischen Ländereien wirkte es gewaltig; im Osten reichte es tief bis in das osmanische Reich hinein, und nach Nordwesten hin wurde es vom Heiligen Römischen Reich begrenzt. Sie hatte keine Ahnung, wo sich die Alaunvorkommen befanden, von denen er gesprochen hatte, doch je nachdem, wie weit er ins Landesinnere reisen musste, um sie zu erreichen, würde er womöglich Wochen dafür brauchen.
    »Was, um Himmels willen, tust du da?« Mansuetta war aus der Küche gekommen und stand wie eine lebende Anklage in der Tür.
    Laura geriet aus dem Gleichgewicht, und die kurze Unaufmerksamkeit reichte, um das wenig standfeste Provisorium unter ihren Füßen zum Einsturz zu bringen. Sie hielt sich oben am Regal fest, während unter ihr die Schemel auf die Bodendielen polterten, bevor sie sich mit einem einzigen, gleitenden Schwung nach unten fallen ließ und federnd in der Hocke landete.
    Verärgert blickte sie auf. »Himmel, musst du einen derartig erschrecken?«
    »Wie kannst du so herumklettern? Willst du dir den Hals brechen?«
    »Du weißt, dass ich das nicht tue. Warum keifst du so?«
    »Weil du nicht kommst, wenn ich dich rufe.«
    »Tut mir leid, ich habe dich nicht gehört.«
    »Weil du in den Tag hineinträumst.«
    »Ich sagte doch, dass es mir leidtut. Warum hast du mich gerufen?«
    »Das Essen ist fertig.« Mansuetta funkelte sie kurzsichtig, aber unverkennbar vorwurfsvoll an, bevor sie wieder zurück in die Küche hinkte.
    Mansuetta kehrte nur zu gern die ältere Schwester heraus, seit sie wusste, dass sie es tatsächlich war.
    Schon lange wollte ich Euch beiden die Wahrheit sagen, aber es ergab sich nie. Euer beider Mutter, Anna, musste Mansuetta weggeben, weil die Umstände es erzwangen. Es ging um Leben und Tod.
    Sie hatten noch nicht über diesen Teil von Crestinas Brief gesprochen, es war wie eine stumme Übereinkunft, vorerst nicht daran zu rühren. Dennoch benahm Mansuetta sich seither unmöglich. Sie ließ keine Gelegenheit aus, Laura zu bevormunden und sich über ihre eigenmächtigen Entschlüsse zu beklagen, und Laura ließ es mehr oder weniger duldsam über sich ergehen, denn sie wusste, wie sehr Mansuetta unter der neuen Situation litt. Für sie war Crestina nach wie vor ihre Mutter, und die Wahrheit aus einem Brief zu erfahren hatte sie vollständig um ihren Seelenfrieden gebracht. Da hatte es nichts geholfen, dass Crestina sie besonders ihrer Liebe versichert und sie angefleht hatte, Laura in allen wichtigen Fragen zu folgen und ihr beizustehen. Sie schien ihre eigene Auffassung davon zu haben, wie sie Crestinas Willen zu befolgen hatte, nachdem diese fortgegangen war. Um große Schuld einzulösen , hatte in dem Brief gestanden, und um dort zu dienen, wo meine Hilfe für einen geliebten Menschen Weiterleben bedeutet. Sucht nicht nach mir, ich gehe an einen Ort, der weiter weg liegt von Venedig, als ihr euch vorstellen könnt. Meine lieben Kinder, ich lege

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