Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
vielleicht war das Mädchen nicht ganz so hübsch, wie sie angenommen hatte. Außerdem war sie krank. Besonders jetzt im Winter hustete sie von morgens bis abends, trotz all der Medizin, die Laura ohne Unterlass für sie braute. Hier schien jedes Kraut zu versagen.
Allerdings galt dasselbe auch für Mansuettas Augen. Sie konnte wahrhaftig nicht behaupten, dass das widerlich schmeckende Baldriangesöff sie schärfer sehen ließ. Dafür wirkte es wunderbar entspannend, wenn man erst seinen Ekel überwunden und es heruntergebracht hatte. Es verschaffte einen erholsamen Schlaf, sogar bei Tage, und es ließ einem die Welt in einem angenehm milden Licht erscheinen. Ihre Hüfte tat seltener weh als sonst. Alles in allem war es eine gute Medizin, die ihre Schwester für sie hergestellt hatte.
»Matteo, warte!«, rief Veronica. Sie setzte sich in Bewegung, um dem Jungen zu folgen. »Du Schlingel, wirst du wohl stehen bleiben!«
»Bis Donnerstag also«, sagte der Fischhändler.
Mansuetta schien es, als schaute er bei diesen Worten sie an, nicht Veronica, die ihn im Übrigen auch gar nicht mehr gehört hätte. Schon im Weggehen begriffen, überlegte sie, was er mit Donnerstag meinte. Richtig, der Giovedì grasso stand bevor, und danach die ganze Karnevalswoche. In den kommenden Tagen würde die Stadt in den reinsten Taumel verfallen, wie immer um diese Jahreszeit.
Sie nickte dem Fischhändler zu, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte, dann ging sie eilig davon.
Laura strich vor dem Spiegel das neue Kleid glatt, während Veronica neben ihr stand und die Schnüre festzog. »Es steht dir hervorragend!«, meinte Veronica begeistert.
Laura versuchte, Mansuettas teils vorwurfsvolle, teils fragende Blicke zu ignorieren. Sie sagte sich, es sei ihre persönliche Angelegenheit, und sie fand, es sei ihr Recht, sich von niemandem hineinreden zu lassen.
»Du könntest es mir erklären«, sagte Mansuetta. »Dann würde ich es sicher besser verstehen.«
»Du würdest mir nur wieder Vorhaltungen machen.«
»Das liegt daran, weil du mir nichts erzählst.«
»Mansuetta, ich habe dir alles Mögliche erzählt, und alles, was du dazu geäußert hast, waren Vorwürfe.«
»Dann sag mir fürs Erste einfach, warum du ihn heute schon wieder treffen musst. Vor allem, nachdem du mir erzählt hast, dass diese Tante Angelica tot ist.«
»Ich möchte mehr über sie erfahren. Sie war die Schwester unserer Mutter. Kannst du das denn überhaupt nicht verstehen?«
»Natürlich verstehe ich es!«, gab Mansuetta aufgebracht zurück. »Schließlich hast du deine Mutter gekannt. Es liegt nahe, dass diese Familienbande dich dazu treiben, mehr über deine Abstammung herausfinden zu wollen.«
Laura presste die Lippen zusammen und beschloss, nichts mehr zu sagen. Doch, wie erwartet, machte Mansuetta diesen Beschluss zunichte, kaum dass Laura ihn gefasst hatte.
»Wie gesagt, ich verstehe es vollkommen. Ein gewisses Interesse habe ich sogar selbst auch. Obwohl ich meine ... die Frau, die mich gebar, nicht kannte.« Bitter setzte sie hinzu: »Und obwohl ich nur aus deinen Erzählungen weiß, wie wundervoll sie war. Aber was ich nicht verstehe, ist die Tatsache, wie du mit unser aller Sicherheit spielen kannst. Siehst du denn nicht, wie groß die Gefahr ist, dass du dich verplapperst? Oder dass von allein jemand darauf kommt, dass deine Fragen über diese Frau eine Spur zu neugierig sind, um noch beiläufig zu klingen?«
Solche Gedanken hatte Laura tatsächlich auch schon gewälzt, doch das konnte sie Mansuetta gegenüber natürlich nicht zugeben; es wäre nur Wasser auf die Mühlen ihrer Schwester gewesen. Stattdessen folgte sie einer spontanen Eingebung, die ihr beim nächsten Blick in den Spiegel in den Sinn kam.
»Vielleicht mag ich einfach nur Zuane sehr gern.«
Sie spürte, wie sich Mansuettas entgeisterte Blicke in ihren Rücken bohrten. »Das kann nicht dein Ernst sein!«
»Warum denn nicht? Er sieht gut aus und ist der witzigste und unterhaltsamste Gesellschafter, den man sich vorstellen kann. Ich arbeite von früh bis spät, an sechs Tagen in der Woche, und hin und wieder brauche ich ein wenig Abwechslung im täglichen Einerlei. Zuane ist einer der nettesten Menschen, die ich je kennengelernt habe! Warum soll ich nicht mit ihm ausgehen? Zumal es völlig unverfänglich ist. Dem Anstand ist stets Genüge getan!«
»Sehr richtig«, warf Veronica ein. »Ich lasse die beiden niemals aus den Augen.«
Mansuetta beachtete sie nicht. »Er
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