Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
nicht. Was würde Laura daran hindern, einfach mit ihm fortzugehen, wenn er sie wirklich heiraten würde? Dann säße sie selbst mit Matteo alleine da. Oder noch schlimmer: ohne Matteo, vielleicht sogar ohne Veronica. Es lag auf der Hand, dass die beiden schnell auf den Gedanken kämen, ihr Leben könne in einem Haushalt, dem ein aufstrebender junger Kaufmann und eine erfolgreiche und ebenfalls junge Apothekerin vorstanden, wesentlich angenehmer verlaufen als in Gesellschaft einer verknöcherten und mehr als ältlichen Jungfer, die zu allem Überfluss auch noch hässlich war wie die Nacht und hinkte wie der Bocksfüßige persönlich.
Nein, den Brief konnte sie nicht aus dem Versteck holen.
»Wollt Ihr diesen Aal kaufen oder darauf warten, dass er Euch anspringt?«, meinte der Fischhändler, ein freundlicher Bursche in ihrem Alter, dem die Pocken das Gesicht verwüstet hatten. Bei einem Piratenüberfall auf sein Boot war ihm zudem ein Auge ausgestochen und der halbe Fuß weggeschossen worden, doch Mansuetta hatte ihn noch nie in übler Laune erlebt. Sie kauften fast jede Woche bei ihm, weil er redlich war und immer frische Ware feilbot. Für die üblichen Tricks, den Fisch vom Vortag wie gerade erst gefangen aussehen zu lassen, war er sich zu schade.
»Ich nehme ihn«, sagte sie, während sie ihn mit einem geistesabwesenden Lächeln bedachte. Dann fiel ihr ein, dass Isacco möglicherweise heute zum Essen kommen würde. Er mochte keinen Aal, ebenso wenig wie Muscheln. Folglich sollte sie eine Makrele zubereiten, die aß er gern.
»Nein, doch lieber keinen Aal«, sagte sie zu dem Fischhändler. »Gebt mir eine halbe Makrele.«
»Die Wankelmut der Frauen«, meinte der Fischhändler grinsend. »Wo Ihr wohl Eure Gedanken habt? Hat der Kleine Euch wieder mit seinen Zahlenfragen abgelenkt?«
Mansuetta musterte ihn, überrascht, dass er von Matteos Neigungen wusste. Aber vermutlich gehörte es zum Verkaufstalent eines Fischhändlers, die Kunden so gut wie möglich zu kennen. Das hatte auch zu Crestinas Grundsätzen gehört, und die Kunden hatten es ihr gedankt. Soweit Mansuetta es überschauen konnte, handhabte Laura es genauso. Die Menschen, die in die Apotheke kamen, vertrauten ihr in allen wichtigen Fragen und ließen sich bereitwillig von ihr beraten, egal, ob es um Heilmittel oder Körperpflege ging. Bei den Schönheitsmitteln war der Umsatz sogar bedeutend gestiegen, seit Laura den Alleinverkauf übernommen hatte. Kein Wunder, empfahl sie sich doch als lebendes Aushängeschild mit ihrer makellosen Haut, dem leuchtenden Haar und den strahlenden Augen. Ob Gesichtscreme, parfümierte Seife oder Belladonna-Tropfen – ein einziger Blick auf sie reichte, um alle Welt glauben zu machen, dass man nur reichlich von den Produkten aus der Farmacia erwerben müsse, um dem Zustand perfekter Vollkommenheit und Gesundheit ein Stückchen näher zu kommen.
Mansuetta selbst hielt sich seit langer Zeit wohlweislich dem Laden fern. Nicht nur, weil sie zu ungeschickt und zu kurzsichtig war, um irgendetwas, das kleiner war als eine Handvoll, korrekt abzuwiegen oder einzupacken, sondern auch, weil sie es leid war, sich wie ein verzerrtes, gruseliges Spiegelbild ihrer Schwester den Blicken anderer preiszugeben.
»Ihr seid wirklich in Gedanken weit weg«, meinte der Fischhändler mit freundlichem Spott, während er das abgewogene Makrelenstück einwickelte. »Oder sind es Sorgen, die Euch plagen?«
Mansuetta riss sich zusammen. »Verzeiht, aber hattet Ihr etwas zu mir gesagt?«
»Messèr Giovanni hat gefragt, ob du am Giovedì grasso schon etwas vorhast«, warf Matteo gelangweilt ein. Er hatte eines der Gewichte hochgenommen, mit denen der Händler seine Waage bestückte, und spielte stirnrunzelnd damit herum. »Woher wisst Ihr, wie schwer dieses Gewicht ist, Messèr Giovanni?«
Mansuetta wunderte sich flüchtig, dass Matteo den Namen des Händlers kannte, und sie fragte sich, wieso sie selbst erst auf diesem Umweg erfuhr, wie der Mann hieß. Ob er seinerseits wusste, wie ihr Name lautete? Und wieso wollte er wissen, was sie am Giovedì grasso tat?
»Mansuetta hat mir versprochen, dass ich dieses Jahr beim Töten der Schweine und des Ochsen zusehen darf.« Er lächelte Giovanni fröhlich an, wobei ihm die Zahnlücke, die er neuerdings vorzuweisen hatte, ein schelmisches Aussehen gab. »Ihr könnt ja mitgehen.«
»Gern«, sagte Giovanni. »Aber nur, wenn Monna Mansuetta nichts dagegen hat.«
»Dies ist ein freies Land«, murmelte
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