Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
als sein Mund den ihren verschlang, entzündete sich an seiner Leidenschaft augenblicklich auch ihre eigene Begierde. Er drängte sich an sie, schlug seinen Umhang um sie beide und ließ sie im Schutze des schweren Wollstoffs seine Erregung spüren. Seine Finger glitten in den Ausschnitt ihres Kleides und berührten ihre Brüste, diesmal auf eine Weise, die sie laut aufkeuchen ließ. Sie fasste ihn ebenfalls an. Zuerst zögernd, dann immer schamloser erkundete sie diesen geheimen Bereich seines Körpers, von dem sie immer noch nicht wusste, wie er aussah, weil sie damals im entscheidenden Moment die Augen zugekniffen hatte. Unter ihren Fingern zuckte es, hart und heiß und ein wenig feucht, und als sie ihn fester umfasste, stöhnte er tief in der Kehle. Sein Daumen rieb über ihre bloße Brustwarze, und sie merkte, wie sich zwischen ihren Schenkeln eine fließende, schwere Wärme ausbreitete.
Gleich darauf ließ er sie los, weil ein Betrunkener gegen ihn torkelte, anonym wie die meisten anderen unter seinem dunklen Umhang und der weißen Maske. Er grinste sie weinselig an, ließ eine Handvoll matschiger Pastetenstücke zu ihren Füßen niederfallen und taumelte weiter, bis zum nächsten Brunnen, neben dessen Einfassung er sich würgend übergab.
Antonio fasste Laura bei der Hand und zog sie weiter. »Komm, wir sind gleich da.«
Das Haus, in dem er wohnte, befand sich unweit des Ponte dei Pugni, der Brücke der Fäuste. Der Name stammte von den rüden Prügeleien, die hier gelegentlich von verfeindeten Gruppierungen ausgetragen wurden, hauptsächlich von den Castellani, die eigens aus ihrem Sestiere Castello hierherkamen, um sich mit den Nicoletti, den Leuten aus dem Kirchensprengel San Nicolò vom Dorsoduro zu schlagen. An diesem Abend war die Stimmung auf der Brücke jedoch ausschließlich von Feierlaune bestimmt.
Das Haus, so erzählte Antonio, war von einem reichen Patrizier für die Unterbringung so genannter Barnabotti errichtet worden, verarmte venezianische Adlige, die weder Bleibe noch Geld ihr Eigen nannten. Diese Art von sozialer Verantwortung war unter den Patriziern weit verbreitet; es galt bei ihnen als Gebot der Ehre, ihresgleichen nicht im Stich zu lassen. So wie die Scuole sich um ihre alten und arbeitsunfähigen Zunftbrüder kümmerten, so traten die begüterten Nobili für ihre mittellosen, heruntergekommenen Standesgenossen ein.
In den beiden Kammern im Erdgeschoss lebten zwei dieser Habenichtse, die außer ihrem edlen alten Familiennamen und ihrem Geburtsrecht auf einen lebenslangen Platz im Großen Rat nichts mehr besaßen. Die beiden Räume im Obergeschoss hatte Antonio gemietet. Einen bewohnte er selbst, den anderen teilten sich seine Gefolgsmänner, Raffaele und Ippolito. Antonio war weder arm noch von Adel, folglich musste er reichlich Miete zahlen, während die Bewohner in der unteren Etage auf Kosten ihres wohlhabenden Gönners ihr Quartier kostenlos bezogen hatten.
Das Haus war noch recht neu. Es lag direkt am Kanal, und Antonios Schlafkammer war wie bei fast allen kleineren Wohnhäusern am Wasser über die Außentreppe an der Landseite zu erreichen.
Er zog Laura hinter sich ins Innere des Hauses und verriegelte die Tür.
»Ist dir kalt?«, fragte er, während er seinen Umhang sowie den Messergurt abstreifte.
Sie schüttelte den Kopf und blickte sich um, bemüht, alle Gedanken, die sich mit anderen Frauen befassten, schnellstmöglich zu verdrängen.
In dem Zimmer war es nahezu dunkel. Durch die mattgrünen Butzenscheiben des schmalen Fensters fiel von draußen Fackellicht herein, das lediglich schemenhaft die Umrisse einzelner Möbel erkennen ließ. Laura machte jedoch auf Anhieb ein recht breites Bett aus, das von vier Pfosten gehalten wurde. Sie reichten bis zur Decke, und an den Abschlussbalken war ein Vorhang befestigt, der die Bettstatt vom übrigen Raum abteilte. In einer Ecke standen zwei Kleidertruhen, in einer anderen ein Tischchen.
Antonio zündete mit seinem Feuerbesteck ein Talglicht an, und im Raum wurde es heller. Laura konnte nun sehen, dass auf dem Tischchen Schreibutensilien lagen und dass auf dem in Augenhöhe umlaufenden Wandbord diverse Gebrauchsgegenstände aufgereiht waren. Eine Uhr, ähnlich der, die sie in der Apotheke hatten, ein ledergebundenes Buch, ein geschnitzter, hölzerner Kasten, der aussah wie ein kleiner Reliquienschrein. An der Außenwand neben der Treppe befand sich ein Kaminofen. Vor dem Bett lag ein breiter orientalischer Teppich. Auf
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