Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Gesicht schien die Sonne aufzugehen, als er ihrer ansichtig wurde. Er streckte ihr einen Korb entgegen, in dem ein großes Stück fangfrischer Kabeljau lag. »Für Euer Mittagsmahl, wenn Ihr mögt. Ausgenommen und kochfertig. Ich habe ein Bund Kräuter dazugelegt und eine Zitrone zum Säuern, so wie Ihr es mögt.«
»Danke sehr, Giovanni«, sagte sie. »Aber es ist wie immer viel zu viel. Ihr seid herzlich zum Essen eingeladen!«
Natürlich hatte er es darauf angelegt, wie jedes Mal, wenn er mit seinem Fischkorb vor der Tür stand, doch sie hatte nichts dagegen. Inzwischen war ihr längst klar, dass nicht Veronica, sondern sie selbst das Ziel seiner Aufmerksamkeit war, auch wenn sie es immer noch nicht recht glauben mochte. Dennoch genoss sie es, wenn sie spürte, wie seine Blicke sie streiften, vor allem aber freute es sie, dass sie in seinen Augen nicht hässlich war. Es konnte nur an seinen eigenen Entstellungen liegen, dass er sie anziehend fand.
»Wenn Ihr wollt, kann ich Euch auch beim Kochen zur Hand gehen«, bot er an. »Ich weiß doch, dass der arme Kleine krank ist und dass Veronica Monna Laura in der Apotheke helfen muss. Und all die Wege, die ihr treppauf, treppab immer bewältigen müsst ...«
»Das würdet Ihr wirklich tun?« Sie lächelte ihn überrascht an.
Im nächsten Moment sah sie, wer mit ausgreifenden Schritten aus dem Nachbarhaus kam, und augenblicklich verging ihr das Lachen.
Sie nahm Giovanni den Korb aus der Hand und versuchte, sich durch die Anwesenheit des Neuankömmlings nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.
»Guten Tag, Antonio Bragadin«, sagte sie leicht gezwungen. Halb und halb rechnete sie immer noch mit einem Donnerwetter wegen des unterschlagenen Briefs, aber bis auf ein paar grollende Seitenblicke war bisher aus seiner Richtung nichts gekommen. Laura schien ebenfalls nicht allzu wütend deswegen gewesen zu sein. Sie wirkte seit dem Aschermittwoch eher bekümmert, aber aus Gründen, die bestimmt nicht mit Antonio zusammenhingen. Die Beziehung der beiden war, wie Mansuetta inzwischen widerwillig hatte akzeptieren müssen, über jeden Zweifel erhaben. Wenn es zwei Menschen gab, die einander von Herzen zugetan waren, so waren es Laura und Antonio. Es war schon beinahe lächerlich, wie sie sich gegenseitig mit Blicken verschlangen und einander auf eindeutige Weise berührten, wenn sie meinten, es schaue gerade niemand hin.
»Du warst bei Isacco«, stellte sie fest. »Hast du ihm Nachricht von seinem Vater gebracht? Geht es Messèr Mosè schlechter?«
»Besser ist es nicht geworden.«
In Mansuettas Ohren klang das wie eine Umschreibung des unausweichlichen Endes, und als sie seine ernste Miene sah, ahnte sie, dass ihre Vermutung zutraf.
»Wenn er noch mehr Medizin braucht ...«
»Er braucht vor allem seine Familie, an erster Stelle seinen Sohn.«
»Oh«, meinte Mansuetta bedrückt. Vermutlich hatte Antonio versucht, Isacco davon zu überzeugen, seine Abneigung gegen seinen Vater fallen zu lassen und ihn zu besuchen. Doch in dem Punkt war Isacco, wie sie schon selbst hatte feststellen müssen, bisher äußerst unversöhnlich gewesen.
Sie hielt es für angezeigt, auf ein anderes Thema umzuschwenken. »Du musstest vor drei Wochen so plötzlich fort, wieder nach Ungarn, wie mir Laura sagte. Wie verlief deine Unternehmung dort?«
»Zufriedenstellend.«
»Wann bist du zurückgekehrt?«
»Vor wenigen Stunden erst, und wahrscheinlich muss ich morgen schon wieder aufbrechen. Ist Laura hinten in der Offizin?«
»Nein. Sie ist in den neuen Ladenräumen.«
Er wirkte sichtlich überrascht. »Neue Ladenräume? Wie das?«
Sie zuckte die Achseln. »Letzte Woche erzählte sie, dass sie passende Räume gefunden habe, und da sie keine Zeit verlieren wollte, hat sie gleich damit angefangen, sie einzurichten.«
Er schaute über ihre Schulter in den Verkaufsraum, wo die Regale zum größten Teil bereits leer geräumt waren. »Tatsächlich. Sie hat wirklich keine Zeit verloren.« Sein gedehnter Tonfall ließ erkennen, dass ihm diese Neuigkeit nicht behagte. »Jemand muss ihr dabei zur Seite gestanden haben. Niemand vermietet einer jungen Frau von kaum siebzehn Jahren Geschäftsräume. Wer hat ihr geholfen?«
Giovanni, der wartend neben ihr stand, räusperte sich. Er nahm Mansuetta den Korb aus den Händen. »Ich bringe den Fisch besser aus der Sonne, oder? Soll ich ihn rasch in die Speisekammer stellen? Oder nein, ich wässere ihn, ist Euch das recht?«
»Ja, danke«, sagte Mansuetta.
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