Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
konnte sogar Carlo kaum mithalten! Hm, nein, daran kannst du dich nicht erinnern, dafür warst du noch zu klein. He, soll ich dir was sagen? Ich hab dich fürchterlich vermisst, als ihr auf einmal weg wart. Ganz im Ernst. Du hast mir gefehlt.«
Mansuetta runzelte befremdet die Stirn und blieb kurz stehen, doch Antonio sagte nichts mehr. Sie blieb vor der Tür stehen, als sie das Plätschern eines Urinstrahls hörte, gefolgt von Matteos erleichtertem Seufzen. Gleich darauf quietschte die Bettstatt, und als sie den Kopf in die Kammer steckte, sah sie, dass Antonio den Kleinen wieder vom Nachtstuhl ins Bett gehoben hatte. Er schaute über die Schulter zu ihr, während er Matteo über den Kopf strich. »Er hat wirklich hohes Fieber.«
»Ich habe Veronica vorhin nach einem Arzt geschickt.«
»Zu welchem?«, wollte er wissen.
»Er heißt Priuli«, sagte sie.
»Nein«, erwiderte er sofort. »Nicht den. Das lasse ich nicht zu.«
»Warum nicht?«, fragte sie erstaunt. »Was ist mit ihm?«
Seine Miene verschloss sich. »Ich habe ihn in schlechter Erinnerung. Ich werde nach einem anderen Arzt schicken lassen, einem richtigen Medicus, dem, der auch Mosè behandelt. Er ist sehr gut, sagt man. Ein Jude namens Simon.« Bevor sie etwas sagen konnte, meinte er: »Ich weiß, die jüdischen Ärzte sind teuer, aber keine Sorge, ich werde ihn bezahlen.«
Sie hatte nichts dergleichen äußern wollen, sondern lediglich vorgehabt, ihm für seine Mühe zu danken.
»Er hat Mumps«, erklärte sie. »Aber es ist nicht so harmlos wie in den üblichen Fällen. Dafür hat er zu starke Kopfschmerzen.«
»Ich werde es dem Arzt ausrichten lassen und dafür sorgen, dass er noch an diesem Nachmittag hier erscheint.« Antonio ging an ihr vorbei und zur Stiege. »Übrigens, der Kavalier mit dem Fisch ist noch unten in der Küche. Ich glaube, er macht sich am Herd zu schaffen.«
Sie merkte, wie Wärme in ihre Wangen stieg. »Das geht in Ordnung.«
»Er ist ein netter Kerl«, sagte Antonio. »Netter als mancher andere.«
»Du kannst das bestimmt gut beurteilen«, sagte sie bissig.
Er grinste flüchtig. »Eins kann ich auf jeden Fall beurteilen: Du siehst richtig hübsch aus, wenn du lachst. Und vorhin, als ich kam, hast du mit ihm gelacht.«
»Verschwinde, Antonio Bragadin, sonst bewerfe ich dich mit ein paar Büscheln Salbei.«
Er tat so, als müsse er niesen, was ihr ein Grinsen entlockte.
»Siehst du, ich sag’s ja«, meinte er zufrieden, einen Fuß schon auf der Stiege. »Richtig hübsch.«
»Oratio, ich würde es vorziehen, wenn du deine Übungen draußen machst.« Laura warf dem einen ihrer beiden neuen Gehilfen einen halb belustigten, halb entnervten Blick zu. »Was sollen die Kunden von einer Apotheke denken, in der ihnen gleich beim Hereinkommen Messer um die Ohren fliegen?«
»In die Offizin kommt niemand außer uns. Hier hinten sieht es doch keiner.«
» Ich sehe es.«
»Du hast schon ganz andere Sachen gesehen. Außerdem muss ich üben, denn nur wer übt, kann besser werden.«
»In diesem Punkt gebe ich dir recht«, stimmte sie zu. »Aber dann sei wenigstens so gut und wirf nicht in meine Richtung.«
Oratio stieg auf einen Schemel und zerrte sein Messer aus dem Dachbalken über Lauras Kopf. Ungerührt warf er abermals, diesmal in einen anderen Balken. Er war unglaublich schnell und geschickt mit seinem Wurfmesser, ein Talent, das er zu Lauras Überraschung nicht mit Tomàso teilte, obwohl die beiden nach wie vor alles gemeinsam hatten – bis auf Oratios Narbe, die ihm für immer ein unverwechselbares Aussehen verlieh. Laura hätte allerdings die wulstige, gespaltene Oberlippe nicht mehr als Erkennungsmerkmal benötigt, um Oratio von Tomàso zu unterscheiden. Damals hatte sie zu viel Angst vor ihnen gehabt und nur darauf geachtet, dass die beiden sie nicht bestahlen. Inzwischen hatte sie gelernt, feinere Unterschiede wahrzunehmen. Es war wie bei den Pflanzen. Manchmal war es nur eine winzige Abweichung in der Tönung der Blätter oder dem Geruch der Blüten, die eine Sorte von der anderen unterschied. Ein Laie mochte es nicht gleich feststellen, doch dem geübten Auge fiel es sofort auf. Mittlerweile konnte sie die Zwillinge sogar auseinanderhalten, wenn sie mit dem Rücken zu ihr standen.
»Hat dein Bruder vorne im Laden die Kisten ausgeräumt?«, fragte sie.
»Alles ausgeräumt und in die Regale gestellt«, bestätigte Oratio.
»Hoffentlich hat er die Finger von dem Kräuterzucker gelassen.«
»Da geht er bestimmt
Weitere Kostenlose Bücher