Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
sie kühl. »Ich hörte Euch nicht kommen. Seid Ihr angemeldet?«
»Ich fürchte nein, Monna Eugenia.«
Bartolomeo, der Antonio eingelassen und hinaufgeführt hatte, mischte sich ein.
»Euer Bruder gab mir Anweisung, Messèr Bragadin sofort vorzulassen, sobald er erscheint.« Er ging weiter zu Querinis Gemach, um die Ankunft des Besuchers anzukündigen.
Antonio verneigte sich vor Eugenia Querini, das Barett vor die Brust gedrückt. Er war Marcello Querinis Schwester bei einem seiner Besuche bereits vorgestellt worden, doch mehr als ein paar belanglose Worte hatte er bisher nicht mit ihr gewechselt. Aus ihm unerfindlichen Gründen konnte er sie nicht leiden. An ihrem Aussehen lag es sicher nicht, sie war eine der schönsten Frauen, die er je gesehen hatte. Sie musste um die vierzig sein, sah aber gut zehn Jahre jünger aus. Ihr Teint und ihr Haar, hier im Schutze ihres Heims von keinem Schleier bedeckt, waren makellos, und ihre Zähne von reinem Weiß.
Gegen seinen Willen musterte er sie bewundernd. Vielleicht, so überlegte er, hing seine Abneigung damit zusammen, dass sie während ihrer Zeit im Kloster die Freundin von Arcanzola Cattaneo gewesen war. Die Nonne hatte gedroht, Laura die Behörden auf den Hals zu hetzten, und wie es schien, hatte sie das wahr gemacht. Ob Eugenia Querini davon wusste?
»Darf ich Euch ein Kompliment machen? Ihr seht heute ganz besonders bezaubernd aus. Dieses Kleid harmoniert vorzüglich mit Euren Augen.«
Sieh an, dachte Antonio in ätzender Selbstironie. Wie sehr ich mich aufs Süßholzraspeln verstehe, wenn es sein muss!
Sie errötete vor Freude und Verlegenheit. »Seid bedankt, Messèr Bragadin!« Sie warf einen flüchtigen Blick über ihre Schulter, in Richtung von Marcello Querinis Gemach, bevor sie sich rasch wieder zu Antonio umwandte. »Lasst mich Euch dieses Kompliment zurückgeben! Mir fiel schon früher auf, was für ein stattlicher, schneidiger junger Mann Ihr seid!«
Er verneigte sich abermals, mit gesenkten Augen, um seine bohrende Neugierde zu verbergen. »Euer Bruder erzählte mir, dass Ihr viele Jahre in einem Kloster zugebracht habt. Gestattet mir die Bemerkung, für welch ungeheure Verschwendung ich das halte.«
»Oh.« Ihre Wangen färbten sich noch eine Schattierung dunkler. »Es gab dort gelegentlich auch abwechslungsreiche Zerstreuungen.«
Darauf möchte ich wetten, dachte Antonio kalt. Wenn es dieselben Zerstreuungen waren, denen sich auch Suor Arcanzola hingegeben hatte, konnte kaum Langeweile aufgekommen sein.
»Habt Ihr noch Kontakt zu Euren langjährigen Gefährtinnen im Kloster?«
»Hin und wieder«, sagte sie.
Das konnte alles oder nichts bedeuten, doch Antonio wusste mit einem Mal ohne jeden Zweifel, dass Eugenia Querini noch mit Arcanzola Cattaneo in Verbindung stand. Er hob den Blick und schaute ihr in die Augen, und er bemerkte den Ausdruck von Vorsicht, mit dem sie ihn musterte. Seine diesbezügliche Frage hatte sie unvorbereitet getroffen, und er erkannte unschwer, dass sie nun auf der Hut war.
Es war schlecht zu sagen, ob und wie viel sie über Arcanzolas Rolle bei den jüngsten Vorfällen wusste, aber er hätte es nur zu gern herausgefunden. Am liebsten wäre er auf sie zugeeilt, um die Wahrheit aus ihr herauszuschütteln.
Gleich darauf legte sich diese Anwandlung, denn Querini kam aus seinem Gemach. Er war bleich und übernächtigt; es war zu sehen, dass er aus dem Bett kam. Sein Hemd stand bis zur Brust offen, die Beinkleider waren nur nachlässig übergestreift, und sein Haar war nicht gekämmt. Die Brandmale stachen gegen die Blässe seiner Haut ab, ein merkwürdiger Effekt, der durch die rotgeränderten Augen noch verstärkt wurde. Querini sah für einen Augenblick aus wie ein Mensch, der einer fremden Rasse angehört.
»Messèr Bragadin, mein lieber Junge!« Er kam auf Antonio zugeeilt und nahm seine Hände in die seinen. Ein bewegter Ausdruck stand auf seinem Gesicht. »Ihr seid zurück! Dem Herrn sei Dank!«
»Habt Ihr meine Botschaft erhalten?«
»Natürlich. Und auf der Stelle Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt. Ratet, wer im Austausch gegen Euch gehen durfte!«
Antonio zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, wirklich nicht. Sicher niemand von großer Bedeutung.«
»Da täuscht Ihr Euch gewaltig. Kein Geringerer als Sigismondo, der jüngste Bruder von Alfonso D’Este, Herzog von Ferrara.«
Antonio stieß einen leisen Pfiff aus. Der Bursche mochte auf der Bühne der Macht nicht viel zu melden haben; in der Reihe der
Weitere Kostenlose Bücher