Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
unerträglich. Er tat ihr leid, und sie wünschte, sie hätte ihm irgendwie in seiner Trübsal helfen können.
»Du lernst nicht einmal mehr mit Matteo, der Kleine langweilt sich jeden Tag mehr«, fuhr sie fort.
»Ich habe ihm alles beigebracht, was ich weiß«, wehrte Isacco ab.
Sie bezweifelte das, wollte aber nicht mit ihm darüber streiten. Mansuetta hatte bereits angekündigt, bald einen neuen Lehrer für Matteo zu suchen, weil der Junge förmlich nach weiterem Wissen gierte. Es wäre nicht richtig gewesen, ihm die Bildung vorzuenthalten. Zum Glück waren sie nun in der Lage, dafür aufzukommen. Sie waren nicht länger auf Isacco angewiesen, und Laura hatte vor, ihn das wissen zu lassen. Schon deswegen, um ihm zu ermöglichen, von hier fortzugehen, denn es war nicht zu übersehen, wie unwohl er sich in Monna Josefas Haus fühlte.
Sie setzte gerade an, ihm von der neuesten Entwicklung zu erzählen, doch er kam ihr mit seiner nächsten Bemerkung zuvor.
»Ich habe dich heute mit diesem unsäglichen Scharlatan auf der Piazza gesehen. Es sieht ganz danach aus, als hättest du gutes Geld für sündiges Teufelswerk einstreichen können.«
Sie hob den Kopf und erwiderte unerschrocken seinen vorwurfsvollen Blick. »Dann muss ich es dir ja nicht erst erzählen. Was allerdings daran sündig sein soll, erkenne ich nicht. Wir haben ein Mittel verkauft, das sich großer Nachfrage erfreut. Es nützt vielen und schadet niemandem. Es gibt kaum eine Arznei, die dergleichen für sich in Anspruch nehmen kann.«
Orso kam nach draußen, die Laterne in der Hand. Fragend blickte er sie an.
»Geh schon ein paar Schritte vor bis zur Ecke da drüben«, bat sie ihn. »Ich folge dir gleich.«
Er nickte und ging voraus bis zur nächsten Abbiegung, wo er knapp außer Hörweite stehen blieb und auf sie wartete.
»Aus deiner Sicht war es sicher ein Fehler, uns nach Padua zu begleiten«, sagte Laura zu Isacco. Es stimmte sie traurig, ihn so bekümmert vor sich stehen zu sehen. Es war nur zu deutlich, dass er bestimmte Träume gehegt hatte, die sich sämtlich zerschlagen hatten. Diesmal mied sie seinen Blick, weil sie die Niedergeschlagenheit darin nicht ertragen konnte. »Für dich muss es nun so aussehen, als hätten wir dich nur ausgenutzt. Wir haben dich die Miete zahlen und für unsere Bedürfnisse aufkommen lassen, ohne dabei die deinen zu berücksichtigen. Wenn du willst, zahle ich dir alles zurück. Wir hatten heute sehr gute Einnahmen. Ich könnte dir gleich jetzt ...«
Mit einer Handbewegung gebot er ihr Einhalt, und als sie aufschaute, sah sie in seinen Augen weder Vorwürfe noch Mutlosigkeit, sondern schwelenden Zorn.
»Du verstehst nichts«, sagte er leise, aber mit schneidend scharfer Stimme. »Überhaupt nichts.«
Zögernd blickte Laura zu Orso hinüber, hin- und hergerissen zwischen ihrem Wunsch, endlich aufzubrechen, und der Verpflichtung, das Gespräch mit Isacco zu Ende zu führen. Sie konnte ihn nicht einfach mitten in der Unterhaltung stehen lassen.
»Wenn ich nichts verstehe, so erkläre es mir doch!«, forderte sie ihn auf.
Anstelle einer Antwort holte er einen gelben Hut aus dem Ärmel seines weiten Gewandes und setzte ihn sich auf. In einer Mischung aus Wut und Trotz starrte er sie an.
Sie atmete tief durch und gestattete sich ein erleichtertes Lächeln. »Oh, Isacco, zerbrich dir doch bitte darüber nicht den Kopf! Wir wissen längst, dass du zu deinem alten Glauben zurückgefunden hast. Du isst nicht mit uns, du gehst nicht mit zur Kirche, und du hast über deine tote Mutter das Kaddisch gesprochen.«
»Du verstehst es immer noch nicht.« Er riss sich den Hut wieder herunter und stopfte ihn zurück in seinen Ärmel. »Ich weiß nicht, wer ich bin, Laura! Früher war ich ein Jude. Ich lernte von meinem Vater die Gebete unseres Glaubens, ich achtete den Sabbat und aß koscher, so wie es Gott von uns wollte. Doch zwischen meinen Eltern herrschte Zwietracht, und schließlich ließ meine Mutter sich taufen. Sie hatte furchtbare Angst, aus der Stadt gewiesen zu werden, so wie all die anderen Juden, die der Rat hinauszwang!«
Laura zuckte zusammen angesichts der reinen Qual, die sich auf seinem Gesicht offenbarte.
»Wer war ich, dass ich meine Mutter verstoßen hätte, nachdem doch so offensichtlich war, wer von meinen Eltern gesündigt hatte und wer von beiden ohne Schuld war! Sie brauchte mich, alt und kränklich, wie sie zu jener Zeit bereits war! Was sollte ich tun, außer bei ihr zu bleiben? Etwa mit
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