Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Fremden, der daran die Schuld trug. Sie erzählte von den dunklen Abgründen um Cattaneo und seine Schwester, die verderbte Nonne. Die Monate im Waisenhaus und im Corte Cavallo, ihre ungezählten Diebereien. Und von Antonio. Immer wieder von Antonio, ihre größte Sünde. Eine Versuchung, der sie auch um den Preis ihres Seelenheils nicht hätte widerstehen können. Ihn zu lieben mochte Sünde sein, doch wenn es so war, konnte sie nichts tun, außer es zu gestehen.
Ihre Stimme war rau, als sie schließlich endete. Ihre Finger, die sie unter dem Kinn verschränkt hatte, schmerzten vor Anstrengung. Mit einem Mal war die böse Vorahnung, die sie den ganzen Tag über gequält hatte, so stark wie nie zuvor. Sie sah ...
Nein!, dachte sie in plötzlich einsetzender Panik. Mansuetta, Matteo, Veronica! Sie hätte sie nicht allein lassen dürfen! Die Gefahr kam immer näher, sie war bereits da!
Sie sprang auf. »Ich muss zu ihnen!«, stieß sie hervor, den Blick in eine Ferne gerichtet, die außer ihr niemand sah. »Der Tod ist im Haus!«
Der Priester erhob sich. »Was habt Ihr, Laura? Was ist los mit Euch? Wollt Ihr nicht warten, bis ich das Absolvo te gesprochen habe?«
Sie blickte ihn an, gehetzt und geistesabwesend. »Könnt Ihr mir denn vergeben, Vater?«
Er erwiderte ernst ihren Blick. »Laura, kniet nieder und hört mir zu.«
Sie konnte es nicht. Wie von Furien getrieben rannte sie zur Tür und dann vorbei an den Fresken des Giotto di Bondone, die sie so sehr bewundert hatte. Jetzt erschienen sie ihr im dürftigen Licht der Kerzen, die beim Altar brannten, nur wie flüchtige bunte Schemen aus einer früheren Welt.
Hinter sich hörte sie die Stimme des jungen Priesters. »Laura! So wartet doch!«
Zu spät, dachte sie in fieberhafter Angst. Sie würde zu spät kommen!
Als sie die Pforte aufstieß, um ins Freie zu laufen, hörte sie das Klirren von Schwertern und die Schreie von Männern. In der Ferne fiel ein Schuss, und gleich darauf noch einer, diesmal viel näher. Weitere Schreie ertönten, ein Teil davon als Schlachtgebrüll.
»San Marco! Italia! San Marco!«
Die Venezianer, dachte Laura benommen. Sie hatten im Schutze der Nacht die Mauern überwunden und waren in die Stadt eingefallen!
Ohne zu zögern, rannte sie los, nur von dem Wunsch beseelt, rasch zum Haus von Monna Josefa zu gelangen, um vor dem Unheil dort zu sein. Nach wenigen Schritten peitschte der Sturmwind ihr die Haube endgültig vom Kopf, und ihre Röcke saugten sich mit dem Wasser der Pfützen voll.
Vage dachte sie, dass sie eigentlich keine Angst haben dürfte, nun, da die Befreier hier waren. Sie war selbst Venezianerin, niemand würde ihr ein Leid zufügen. Dann begriff sie, dass sie schließlich aus Venedig geflohen war, weil man ihr dort sonst übel mitgespielt hätte. Der Befreier war in Wahrheit ihr Feind.
Wie groß die Gefahr wirklich war, erkannte sie nur wenige Augenblicke später, als sie an der nächsten Kreuzung abbog. Ein vor ihr liegender Palazzo brannte lichterloh. Menschen drängten schreiend heraus, Frauen, Kinder, Männer, Greise. In ihren Nachtgewändern und mit nackten Füßen flohen sie auf die Gasse, wo ihnen der Weg von den Eroberern versperrt war. Venezianische Soldaten kesselten sie wie gefangenes Vieh auf einem kleinen Platz ein, johlend die Schwerter und Arkebusen erhoben. Einige der Söldner schleppten Gemälde, Möbelstücke und Tuchballen aus dem brennenden Haus, während andere über die eingekreisten Menschen herfielen. Weinende Kinder wurden getreten und zur Seite geschubst, während drei der Soldaten sich über eine junge Frau hermachten. Sie rissen ihr die Kleider vom Leib und warfen sie zu Boden. Zwei hielten sie fest, während der dritte sich auf sie warf und sie mit Gewalt nahm.
Während Laura voller Grauen zusah, wurde einem Mann, der mit bloßen Fäusten auf den brutalen Schänder losging, vor aller Augen ein Schwert in die Brust gerammt.
Orso, dachte Laura. Wo war ihr Leibwächter?
Sie hatte kaum an ihn gedacht, als er auch schon an ihrer Seite war.
»Madonna, was macht Ihr nur?«, zischte er, während er sie beim Arm packte und um die nächste Ecke zog, außer Sichtweite der venezianischen Soldaten. »Wie könnt Ihr nur einfach so loslaufen? Ich dachte schon, ich hätte Euch verloren!«
»Die arme Frau! Du musst ihr helfen!«
»Ich helfe Euch , dafür bin ich da. Die Frau wird überleben, so wie die anderen auch. Wenn die Leute schlau sind und sich nicht wehren, verlieren sie nur ihren
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