Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
kämmte sich das Haar aus. »Du bist die Unruhe in Person. Normalerweise liegst du um die Zeit schon unter der Decke und schläfst wie ein Stein.«
»Vor allem hat sie heute nichts zum Vespermahl gegessen«, hob Veronica hervor. »Das hat es noch nie gegeben, solange ich zurückdenken kann.« Sie hatte sich bereits in ihr Bett zurückgezogen und betrachtete Laura, die im Unterkleid durch die Kammer marschierte.
Laura blieb beiden eine Antwort schuldig. Sie lief mit großen Schritten durch den Raum, ohne innezuhalten, den Kopf voller quälender Gedanken.
Ein Talglicht, das auf einer der Truhen stand, verbreitete ein unstetes Licht, das den Gefühlsaufruhr in ihrem Inneren ebenso widerzuspiegeln schien wie der stürmische, von Regengüssen begleitete Wind, der an den Fensterläden rüttelte.
Schließlich hielt sie es nicht mehr aus. »Ich muss noch einmal fort.« Rasch streifte sie ihre Gamurra und die Haube über und ging zur Tür.
Mansuetta richtete sich auf. »Wohin denn?«, fragte sie perplex.
»Frische Luft schnappen.«
»Bei dem Wetter? Du bist verrückt!«
»Es macht mir nichts aus, ein bisschen nass zu werden.«
»Du kannst nicht zu nachtschlafender Zeit das Haus allein verlassen!«, protestierte Mansuetta.
»Orso ist noch da, ich habe ihn vorhin reden hören. Er sitzt unten mit Monna Josefa im Salon.«
»Was tun die beiden da?«, fragte Veronica fasziniert.
Laura wusste es nicht, fand es aber wenig später heraus. Zu ihrer Verblüffung saßen ihre Vermieterin und der groß gewachsene Leibwächter einander am Tisch gegenüber und spielten Karten. Der Einsatz bestand nicht etwa in Münzen, sondern in Gegenständen, die beide am Körper trugen. Von Monna Josefa lagen bereits ein Perlenarmband, eine Brosche und eine Schärpe auf dem Tisch, von Orso ein Dolch, der blinkende Morgenstern und die Weste.
Orso sprang auf, als Laura den Raum betrat. Er schaute über die Maßen verlegen drein. Auch Monna Josefa war errötet, doch gleichzeitig grinste sie. »Es ist nicht das, was Ihr denkt, Kindchen. Nur ein kleiner Spaß, so wie früher. Ach ja, und wir geben uns gegenseitig alle Sachen hinterher wieder zurück.«
»Könnt Ihr Orso für eine halbe Stunde entbehren? Ich muss noch einmal fort.«
»Warum nicht? Immerhin ist er Euer Leibwächter.« Monna Josefa schob Orso die Waffen zu, die auf dem Tisch lagen. »Hier, mein Junge, kann ja sein, dass du sie brauchst. In der Stadt herrscht Unruhe, und das liegt nicht nur an dem Sturm, der draußen aufzieht.«
Orso zog sich wortlos die Weste über, legte seine Waffen wieder an und begleitete Laura ins Vestibül, wo er eine Laterne anzündete. Sie trat ins Freie, wo sie feststellte, dass der Regen für den Moment nachgelassen hatte. Dafür hatte der Wind an Stärke zugenommen. Brausend fuhr er durch die Gassen und brachte die Türen und Fensterläden zum Klappern. Laura hielt mit beiden Händen ihre Röcke fest. Die Luft war trotz der Böen gewittrig und schwül; erst die Nacht würde ein wenig Abkühlung bringen.
»Laura?«
Erschrocken wirbelte sie herum, als sie so unvermittelt von hinten angesprochen wurde. Zu ihrer Erleichterung war es lediglich Isacco, der anscheinend ebenfalls noch einen Spaziergang unternommen hatte. Er ging meist nur abends aus dem Haus, wenn sonst kaum jemand unterwegs war.
»Du hast mich erschreckt«, sagte sie.
»Verzeih, das wollte ich nicht. Wo willst du noch hin zu so später Stunde?«
Sie holte Luft. »In die Kirche, beten.« Das war die schlichte Wahrheit, aber Laura hatte bei dieser Antwort gleichwohl ein schlechtes Gewissen, denn sie wusste genau, dass dies der einzige Ort in ganz Padua war, zu dem er sie nicht begleiten würde.
Er blickte sie stirnrunzelnd an, kommentierte es aber nicht weiter. Ein grüblerischer Ausdruck stand auf seinem Gesicht, und er wirkte erschöpft und verzweifelt.
»Isacco, was ist los mit dir?«, entfuhr es ihr. »Du bist so still und zurückgezogen, die ganzen letzten Wochen schon! Man sieht dich nie, immer versteckst du dich in deiner Kammer! Du wolltest so sehr mit uns gehen, als wir Venedig verließen! Und jetzt bist du einsamer als je zuvor, weil du das Alleinsein dem Leben mit uns vorziehst!«
Sie behauptete nicht, dass sie und die anderen ihn gern bei sich gehabt hätten, weil das nicht wahr gewesen wäre. Mit seiner ewigen Trauermiene hätte er jeden Ansatz von guter Laune bereits im Keim erstickt. Dennoch war das Gefühl, ihn unzufrieden im Hintergrund zu wissen, auf Dauer genauso
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