Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
sich nicht, wenn Ihr mit der Frau des Prokurators in dessen Schlafgemach allein seid! Außerdem wird der Medicus gleich eintreffen!«
Antonio erwiderte ihren Blick unverwandt. »Hinaus.«
Sein Ton war von der Art, die sogar so hartgesottene Veteranen wie Raffaele und Ippolito schon vor Jahren dazu gebracht hatte, widerspruchslos einzulenken. Ohne weitere Einwände eilte Moresina aus dem Gemach, das Kind in den Armen und die Amme im Schlepptau, die beim Verlassen des Raums einen säuerlichen Geruch nach geronnener Milch und altem Schweiß hinter sich herzog. Auch vom Bett her stank es, nach Blut und schwerer Krankheit. Antonio riss die Fenster zur Loggia auf und zog in tiefen Zügen die Luft ein, die vom Kanal hochstieg. Auch diese roch nicht sonderlich frisch, sondern nach einer Mischung aus Algen, Fisch und Fäulnis, aber allemal besser als der erstickende Dunst, der mit einem Mal das Zimmer vom Boden bis zur Decke zu erfüllen schien.
»Valeria, hast du gewusst, dass Querinis Frau Angelica noch lebt?«
Zuerst glaubte er, sie würde nicht auf die Frage antworten, weil sie schon eingeschlafen war. Doch dann öffnete sie die Augen einen Spaltbreit und gab ein Murmeln von sich. Er neigte sich über das Bett, um sie verstehen zu können. »Was hast du gesagt?«, fragte er.
»Inzwischen ist sie tot.«
»Bist du ganz sicher?«
Sie nickte kaum merklich.
»Wann ist sie gestorben?«
»Kurz vor unserer Hochzeit, war das nicht passend?« Sie meinte es zweifellos ironisch, doch durch das Fieber war ihre Stimme so tonlos, dass es nach einer schlichten Feststellung klang.
»Wo war sie die ganze Zeit?«, fragte Antonio.
Sie flüsterte abermals, und wieder musste er sich näher zu ihr beugen und sie bitten, die Worte zu wiederholen. Ihre Antwort erreichte sein Ohr nur als schwacher Hauch, doch diesmal hatte er es verstanden. Es war das Letzte, was sie von sich gab, bevor das Fieber sie in einen unruhigen Schlummer sinken ließ.
Antonio richtete sich auf, von kaltem Schrecken erfüllt. Er eilte aus dem Gemach und dann nach unten, um so rasch wie möglich das Haus zu verlassen. Erst als er in seiner Gondel stand und mit beiden Händen das Ruder umklammerte, konnte er wieder freier atmen. Er hatte erfahren, was er wissen wollte, doch ihm war klar, dass er mit niemandem darüber sprechen konnte.
»Warum hast du sie nicht nach dem Namen des Kindes gefragt?«, wollte Laura wissen.
Antonio furchte irritiert die Stirn. »Ich habe es vergessen.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, das stimmt nicht. Ich habe einfach nicht dran gedacht.«
»Das finde ich sehr nachlässig. Du hättest danach fragen müssen. Schließlich war sie einmal unsere ... Freundin.« Laura wirkte erschöpft, wie sie so dasaß, die Beine unter sich gezogen und die Arme um den Leib geschlungen. Anscheinend war ihr Tag nicht weniger aufreibend gewesen als seiner. Er wusste, dass sie schon sehr früh aufgestanden war, um alles für die Ankunft des Apothekers vorzubereiten. Es verstimmte ihn, dass sie ihm vorher nichts davon erzählt hatte, denn dann hätte er sich selbst darum kümmern können.
»Ich habe eben nicht dran gedacht«, wiederholte er ungeduldig. »Was schert es mich, wie das Kind einer Kurtisane heißt!« Tatsächlich hatte er deswegen ein schlechtes Gewissen. Valeria hatte ihm eine Weile nah genug gestanden, und es hatte sogar eine Zeit gegeben, da er sie mit der ganzen Kraft seines Herzens begehrt hatte. Das mochte lange her sein, aber er erinnerte sich noch sehr gut daran, genau wie an die gemeinsamen Jahre in der stinkenden kleinen Kammer am Corte Cavallo. Es war nicht recht, dass er so wenig Anteil an Valerias Schicksal nahm. Nach dem Namen ihres Sohnes zu fragen wäre das Mindeste an Höflichkeit gewesen.
»Ich werde es nachholen«, versprach er seiner Frau. »Und wenn du willst, besorge ich auch ein Taufgeschenk.«
Laura nickte wortlos. Ihr Gesicht war blass, ihre Miene verschlossen. Er fragte sich unwillkürlich, ob sie ihm seine Behauptung glaubte, dass er nichts Neues erfahren habe. Laura hätte ein Recht darauf gehabt, die Wahrheit zu hören. Doch er konnte es ihr nicht sagen, um keinen Preis der Welt. Sie würde weiter mit den Ungewissheiten ihrer Vergangenheit leben müssen. Aber dafür war er bei ihr und konnte sie beschützen, vor allem, was noch geschehen mochte.
Sein Herz zog sich zusammen vor Zärtlichkeit und Sehnsucht, und ohne weiter nachzudenken, stand er aus dem Lehnstuhl auf und trat zu ihr.
»Laura.« Er legte seine
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