Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Achseln.
»Ich verstehe«, sagte er. »Es war dir lieber, selbst mit deinem Wissensvorsprung am längeren Hebel zu sitzen.« Er ließ es auf sich beruhen, obwohl es ihn fuchste, dass sie diese Information nicht früher mit ihm geteilt hatte. »Was geschah, nachdem Querini herausgefunden hatte, dass er Inzest mit seiner Schwester begangen hatte?«
»Marcello blieb eiskalt, du kennst ihn ja. Eugenia musste gegen ihren Willen ins Kloster zurück. Als Zuane geboren war, nahm Marcello ihn bei sich auf und erkannte ihn als seinen Sohn an. Als Mutter wurde eine Bedienstete erfunden, die im Kindbett gestorben war. Doch die Hoffnung auf einen legitimen Erben hat Marcello nie aufgegeben, deshalb hat er sich einige Jahre später verheiratet.«
»Mit Angelica.«
»Richtig. Aber sie konnte ihm keine Kinder schenken.«
Antonios Blick ging zu der Wiege. »Dafür jedoch du.«
Sie lachte, ein misstönender Krächzlaut, in dem alle Verzweiflung der Welt zu liegen schien. »Der Teufel soll ihn holen, ja. Er hat mir ein Kind gemacht. Es wäre niemals auf die Welt gekommen, hätte ich gewusst, dass es seines ist!«
»Du dachtest, es wäre von Carlo, nicht wahr?«
Sie gab keine Antwort, doch das war auch nicht nötig. Er las die bittere Wahrheit in ihren Augen. Sie hatte mit hohem Einsatz gespielt und alles verloren. Mit diesem Kind hatte sie den Mann an sich binden wollen, den sie liebte, doch es war anders gekommen.
»Als Angelica weg war, bestand Eugenia darauf, dass Querini sie aus dem Kloster holte. Sie wusste, was ihr sonst bevorsteht.« Antonio spann in Gedanken die logische Reihenfolge der weiteren Ereignisse fort. Wie alle anderen Nonnen hatte Eugenia Querini damit gerechnet, dass die Zeiten, in denen den Frauen im Kloster noch gewisse Freiheiten eingeräumt waren, bald vorbei wären. Und so war es dann ja auch tatsächlich gekommen. Die strengen Klausurgesetze verbannten die Nonnen unter schwerster Strafandrohung für alle Zeiten hinter die Klostermauern. Keine Freizügigkeiten mehr, keine heimlichen Ausflüge zum Karneval oder zu anderen Geselligkeiten. Eugenia Querini wäre nie mehr hinausgekommen, und das hatte sie genau gewusst.
»Natürlich wollte sie nicht lebendig begraben sein«, stimmte Valeria zu. »Wer will das schon.« Ihre Stimme war mittlerweile so leise, dass Antonio sich zu ihr beugen musste, um alles zu verstehen. »Aber Marcello gegenüber stellte sie es anders dar. Sie behauptete, sie wolle zu ihrem Kind. Ihrem Sohn, ihrem Fleisch und Blut. Marcello kaufte ihr die plötzliche Mutterliebe nicht ab, schließlich hatte sie all die Jahre problemlos auf Zuane verzichten können. Als all ihr Gebettel nichts fruchtete, verlegte sie sich auf Erpressung. Entweder sie dürfe nach Hause, oder aber sie würde Zuane erzählen, dass er ein in Blutschande gezeugtes Kind ist.«
»Querini hat nachgegeben und sie aus dem Kloster nach Hause geholt«, stellte Antonio fest. »Bleibt nur die Frage, ob er es tat, weil er Zuane liebt und ihn vor diesem schrecklichen Wissen verschonen wollte, oder eher deswegen, weil er fürchtete, dass es womöglich in der Stadt die Runde machte und er als Prokurator dann schlecht dastünde.«
»Zuzutrauen ist ihm beides«, murmelte Valeria. »Aber welche Rolle spielt das jetzt noch.«
»Warum hast du ihn geheiratet?«
Sie deutete auf die Wiege und holte Luft, bevor sie mühsam weitersprach, mit langen Pausen zwischen den einzelnen Sätzen. »Nachdem der Kleine auf der Welt war, schien es mir das Beste. Marcello ist Zuane immer ein guter Vater gewesen, das gab für mich den Ausschlag.« Sie blickte ihn an. »Wenn du wählen könntest, ob du lieber das im Sumpf der Sünde aufwachsende Kind einer Kurtisane wärst oder aber der geachtete und umsorgte Erbe eines ehrbaren Prokurators – wie würdest du dich wohl entscheiden?«
Er erkannte die Verzweiflung in ihren Augen. Achselzuckend erwiderte er ihren Blick. »Ich kann es dir nicht sagen, Valeria. Sicher hast du das Beste für dein Kind getan. Aber für dich?«
»Oh, Marcello hat mir anheimgestellt, zu gehen.« Sie gab ein ersticktes Lachen von sich. Ihre trockenen Lippen platzten auf, und weiteres Blut befleckte ihren Mund. »Er zwingt mich keineswegs, als seine Frau mit ihm unter einem Dach zu wohnen. Schließlich war gleich das erste Kind ein Junge. Er hat nun endlich seinen ehelichen Sohn, einen legitimen Erben. Sein Lebenswunsch hat sich erfüllt. Ich kann verschwinden, wenn ich will. Kann leben, wo ich will. Nur natürlich nicht
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