Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
ihren weiblichen Duft ein und fuhr mit der Hand an ihrem Körper hinab, über ihre Flanke nach vorn zu ihrem Bauch, unter dessen zunehmender Wölbung sein Kind heranwuchs. Er streichelte sie dort zärtlich und hielt sie mit dem anderen Arm weiter an sich gedrückt, bis ihr Schluchzen allmählich verklang. Er streichelte ihren Rücken, ihr Haar, ihre Schultern und dann wieder ihren Bauch. Schließlich schlang er beide Arme um sie und hielt sie einfach nur fest.
»Ich bin hier«, murmelte er. »Hab keine Angst. Ich werde dich nicht verlassen, bis das Kind da ist. Ein ganzes Jahr, von jetzt an, werde ich in Venedig bleiben. Bei dir.« Der Entschluss war spontan gekommen. Die geplante Reise nach Kairo würde ausfallen, jedenfalls in diesem Jahr. Rumort hatte es schon vorher in ihm, vielleicht sogar schon vor dem Anblick, den Valeria ihm geboten hatte, fiebernd und hilflos, während ihr Sohn hungrig in der Wiege schrie. Niemand war bei ihr gewesen, als es ihr schlecht ging, nicht einmal Querini, der sich Antonio stets als Übermensch in Sachen Pflichtbewusstsein und elterlicher Fürsorge präsentiert hatte. Allein die Vorstellung, es könnten sich Umstände ergeben, die ihn selbst davon abhalten mochten, Laura in einer vergleichbaren Lage beizustehen, ließ ihn sich fühlen wie ein Tier im Käfig. Er hatte begriffen, dass es an ihm lag, ob dergleichen geschehen konnte oder nicht.
Laura hob den Kopf. Ihre Augen waren verhangen und dunkel vom Weinen. »Schwöre es«, wisperte sie.
»Ich schwöre«, gab er ruhig zurück.
Im Licht der einzigen Kerze, die noch auf dem Tisch brannte, zeichneten sich die Sommersprossen wie samtiger Goldstaub auf der Haut ihres Gesichts ab. Die vorwitzig geschwungene Spitze, in der ihr Haaransatz über der Stirn auslief, ließ sie wie eine Elfe wirken, unter deren Vorfahren ein Faun gewesen war. Der dichte Kranz ihrer Wimpern warf Schatten auf ihre Wangen und verdeckte beinahe die Tränenspuren.
Mit einem Mal erinnerte er sich an jenen Tag, als er sie mit auf den Campanile genommen hatte. Er hatte sie Lauro genannt, und sie hatte ihn dafür gescholten, doch schon damals, als er sie im Sonnenlicht betrachtet hatte, war dieses besondere Gefühl in ihm aufgekeimt, das ihn für immer an sie geschmiedet hatte. Ihm war, als wären sie beide Teile derselben Seele, zueinandergehörig auf allen Ebenen ihres Seins, für alle Zeiten und darüber hinaus.
Begierde flammte in ihm auf, er konnte nichts dagegen tun. Ihren nackten Körper frei von Lust in den Armen zu halten war ihm nicht gegeben. Aber er konnte sie ohne erotische Absichten berühren, sie sanft liebkosen und ihr die Geborgenheit geben, die sie brauchte.
»Möchtest du über deine Ängste sprechen?«, fragte er leise, den Mund an ihrer Stirn.
Sie zuckte zusammen bei seiner Frage. Der Gedanke, ihre Furcht in Worte zu kleiden, schien sie zusätzlich zu verstören.
»Vielleicht hilft es«, sagte er. »Manchmal verliert die Angst ihren Stachel, wenn man ihr auf diese Weise ins Gesicht schaut.«
»Tust du das? Ich meine, deiner Angst ins Gesicht schauen.«
Er dachte kurz nach. »Oft, ja. Manchmal bleibt nichts anderes übrig.« Er lachte leise. »Zum Beispiel, wenn eine Horde berittener Osmanen auf einen zudonnert, bis an die Zähne bewaffnet. Stell es dir so vor: Ein blinkender Wald aus Krummsäbeln kommt näher, und es gibt keinen Ausweg. Nur die Flucht nach vorn. In den Kampf.«
»Und wenn es das Schicksal selbst ist, von dem die Gefahr ausgeht? Wie willst du dagegen kämpfen?«
Er unterdrückte ein Seufzen. »Mein Liebes, deine Vorahnungen in allen Ehren, aber es sind immer Menschen, von denen die Gefahr ausgeht. Und gegen Menschen kann man kämpfen. Man muss sich nur bereithalten und sich ihnen mutig entgegenstellen.«
»Gefahr kann auch woanders herkommen. Es gibt Stürme und Missernten und Krankheiten.« Sie holte Luft. »Damals, als Matteo geboren wurde ... Meine Mutter starb im Kindbett. Und ich habe es vorher geahnt. Ich sah einen Schatten über ihr liegen. Natürlich nicht wirklich, sondern im übertragenen Sinne. Etwas, das dunkel und todbringend war.«
»Ich weiß, du hast mir davon erzählt. Auch dass es für Matteo eine Amme gab.« Er erkannte die günstige Gelegenheit, Laura von ihren düsteren Gedanken abzulenken. »Ich habe sie heute übrigens gesehen. Querinis Magd schleppte sie an, sie sollte Valerias Sohn stillen.«
Sie fuhr auf. »Lodovica? Das glaube ich nicht!«
»Doch«, meinte er mit schwachem Grinsen.
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