Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
ihren Fesseln und spürte, wie sie zerrissen. Sie war schneller als die Männer, denn sie hatte es nicht so weit. Mit zwei Schritten war sie bei der Nonne, einen Lidschlag bevor der Dolch auf Matteo niederfahren konnte. Laura warf sich mit voller Wucht gegen Arcanzolas Körper und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Das Messer sauste ratschend durch den Samtbehang, richtete aber weiter keinen Schaden an.
Arcanzola kam unter Laura zu liegen, das Gesicht ihr zugewandt. Mit einer ruckartigen Bewegung schwang sie den Dolch hoch, gegen Lauras Brust. Laura handelte planlos und rein instinktiv. Sie packte mit beiden Händen die Faust mit dem Messer und lenkte sie aus dem entgegenkommenden Stoß heraus nach unten, ihr gesamtes Gewicht dagegenwerfend. Die Klinge fuhr dicht über dem Kehlkopf in Arcanzolas Hals, tief hinein, bis sie auf den knöchernen Widerstand eines Halswirbels traf.
Arcanzola gab ein ersticktes Röcheln von sich. Sie starrte Laura fassungslos an und hob beide Hände, wie um ein lästiges Insekt zu verscheuchen. Sie fand den elfenbeinernen Dolchgriff und betastete ihn. Laura hatte sich aufgerappelt und verharrte in entsetzter Faszination, während Arcanzolas Hände langsam herabsanken und neben ihr zu Boden glitten wie die schlaffen Flügel eines gestürzten Vogels.
Die Nonne starb, aber es dauerte etliche grauenhafte Augenblicke, bis der letzte Funke in ihren Augen erlosch. Bis zum Schluss hielt sie Lauras Blicke gefangen, als wolle sie ihr versprechen, im Jenseits auf sie zu warten. Benommen blieb Laura stehen, unfähig, die Augen von der Toten abzuwenden.
Wie aus weiter Ferne merkte sie, dass Antonio sie fieberhaft von oben bis unten abtastete und ihren Körper untersuchte. »Sie hat üble Abschürfungen. Es blutet ziemlich, ist aber nicht allzu schlimm.«
»Der Kleine kommt bereits zu sich«, sagte Carlo. »Er ist nur betäubt.«
Antonio packte Laura bei den Schultern und schaute ihr eindringlich ins Gesicht. »Wie fühlst du dich?« Er legte ihr die Hand auf den Leib. »Das Kind?«, fragte er drängend.
Sie riss sich aus ihrer Erstarrung. »Es geht mir gut, und dem Kind auch.« Wie zum Beweis bewegte es sich in ihr und versetzte ihr einen harten Tritt unter die Rippen.
Ein Schluchzen stieg in ihr auf, als sie begriff, dass sie gerettet war. »Du bist gekommen!«, weinte sie. »Ich hatte solche Angst, dass du wieder fortgehst!«
Er zog sie in die Arme. »Diese Unterhaltung führten Carlo und ich nur zum Schein. Wir hatten die Geheimtür entdeckt, die in diesen Raum führte, aber wir dachten uns gleich, dass jemand unser Kommen gehört hatte. Uns erschien es vernünftig, so zu tun, als würden wir wieder verschwinden, denn nur so konnten wir uns das Überraschungsmoment zurückholen.« Er drückte sie fester an sich. »Dennoch warst du schneller als wir. Du bist unglaublich tapfer! Ich bin stolz auf dich!«
Sie begann zu zittern. »Ich will hier raus!«
»Gleich.« Er ließ sie los, riss ein Stück von ihrem Unterkleid ab und verband ihr die Hände.
Carlo zog unterdessen sein Wams aus und hüllte Matteos nackten Körper darin ein. »Meine Güte, ist er groß geworden«, sagte er leise. »Ich sehe ihn noch vor mir, wie er über den Strand getapst ist und immer wieder auf seinen kleinen Hintern fiel, weil er das Laufen noch üben musste.« An Laura gewandt setzte er hinzu: »Hat Cattaneo gesagt, wo er hingeht?«
»Nein. Aber er wollte bald wiederkommen. Arcanzola dachte vorhin schon, er wäre wieder da. Also kann er nicht vorgehabt haben, lange fortzubleiben.«
»Dann sollten wir uns hier verstecken und einfach warten«, meinte Antonio.
Laura schüttelte heftig den Kopf. »Nein.«
»Keine Sorge«, meinte Carlo beruhigend. »Antonio bringt dich und den Kleinen nach Hause. Mit Cattaneo und seinem Zwerg werde ich auch allein fertig.«
»Das meinte ich nicht.« Laura schaute ihn an. Ihre Panik hatte sich gelegt. In ihr hatte sich eine eisige Ruhe ausgebreitet, die sie selbst überraschte. »Ihr solltet nicht hier warten, sondern ihm folgen.«
»Aber ...«, hob Antonio an.
Carlo hob die Hand. »Warte.« Er erwiderte Lauras Blick. »Bist du sicher?«
»So sicher, wie ich nur sein kann.« Sie zögerte. »Ihr müsst euch beeilen.«
Carlo nickte, eine Sorgenfalte zwischen den Brauen. »Kommst du allein zurecht?«
»Was immer ihr beide da gerade ausheckt, sie bleibt auf keinen Fall hier«, erklärte Antonio resolut.
Laura zog den Samtstoff von dem teuflischen Altar und war nicht überrascht,
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