Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Abgesandte der Zunft mit der Nachbarin zusammen und redeten mit ihr über das Wetter und die Essgewohnheiten im fernen Portugal, als gäbe es nichts Interessanteres auf der Welt.
Eine der Frauen kam mit einer prall gefüllten Tasche wieder nach unten, die andere Frau folgte mit dem Säugling in den Armen. Hinter ihr kam Lodovica die Stiege herabgeklettert, eine kleine Reisetruhe vor der Brust balancierend. Ihr Lächeln wirkte ein wenig zaghafter als sonst, doch bis auf ein paar scheue Seitenblicke in Richtung der wartenden Männer machte sie keinen allzu beunruhigten Eindruck. Erst als das Kind anfing zu schreien, begann sie, von einem Fuß auf den anderen zu treten und Hilfe suchend in die Runde zu schauen.
Laura blickte sich voller Panik um. Anscheinend war vorgesehen, dass es sofort losging.
»Aber ... was ist mit den Sachen meiner Eltern!«, rief sie aus. Ihr Blick fiel auf die abgestoßene emaillierte Schmuckdose, die auf dem Wandbord stand, ein Lieblingsstück ihrer Mutter. Und dort, der Rasierspiegel ihres Vaters, über den er immer seine Witze gemacht hatte, weil er so blind war, dass er nicht einmal seine Nase darin erkennen konnte ...
»Deine Eltern besaßen nichts von Wert, mein Kind«, sagte die Ehefrau des Zunftmeisters.
Die Bilder, dachte Laura wie betäubt. Da sind doch die Wandbilder! Mein Löwe!, durchfuhr es sie. Was wird nun aus meinem Löwen?
Die Frau des Zunftmeisters drückte ihr das kreischende Bündel in die Arme. »Hier, nimm deinen Bruder, ich trage mit Lodovica eure Sachen aufs Boot.«
Laura hätte das Kind um ein Haar fallen lassen, weil sie nicht damit gerechnet hatte, es halten zu müssen.
»Aber ich kann doch nicht ohne ...« Laura verstummte, denn sie wusste nicht, was sie noch hätte sagen sollen. Es war von himmelschreiender Offensichtlichkeit, dass sie die Fresken nicht mitnehmen konnte.
»Wir werden alles, was noch halbwegs brauchbar ist, zu deinen Gunsten verkaufen«, versprach die andere Frau.
Laura konnte ihre Worte kaum verstehen. Das Kind in ihren Armen schrie so ohrenbetäubend, als wüsste es ganz genau, dass die ganze Welt ringsum in Scherben fiel.
Es fuchtelte mit den Händchen vor seinem Gesicht herum und versuchte, sich die Finger in den Mund zu schieben, was jedoch kläglich misslang. Laura wagte kaum, sich zu bewegen, weil sie Angst hatte, das Kind zu verletzen. Es war unerwartet leicht, man brauchte kein bisschen Kraft, um es zu halten.
Das Köpfchen, das hinter den beweglichen Fäustchen zu sehen war, hatte eine rosa Färbung angenommen, die immer stärker wurde, je länger das Kind brüllte. Gegen ihren Willen fasziniert, betrachtete Laura ihren Bruder. Sein Kopf war nicht haarlos, wie Monna Pippa heute Vormittag behauptet hatte, sondern von einem dünnen hellen Flaum überzogen. Die Augen waren zugekniffen, sodass unmöglich festzustellen war, welche Farbe sie hatten. Dafür war der Mund so weit aufgerissen, dass die zahnlosen kleinen Kiefer vollständig zu sehen waren, einschließlich des schwingenden Gaumensegels. Die Haut der Wangen und der Ärmchen war hell und so makellos, dass nicht die geringste Unebenheit darauf zu erkennen war.
»Es will trinken«, hörte Laura die Amme von draußen jammern.
»Unsinn, es ist satt, vorhin hat es in meinen Armen aufgestoßen«, versetzte die Frau des Zunftmeisters. »Ich hatte selbst fünf und weiß, wann sie hungrig sind oder nur aufgeregt. Du solltest Acht geben, dass du die kleinen Dinger nicht immer so verzärtelst, Lodovica, das habe ich dir oft genug gesagt!« Die Frau hob die Stimme und rief durch die offene Tür ins Haus: »Laura, nun komm endlich!«
Laura gehorchte und setzte sich unsicher in Bewegung, den Blick auf das Gesicht des Säuglings gerichtet. Die anderen folgten ihr nach draußen auf die Fondamenta, und als sie am Rand der steinernen Ufermauer stehen blieb, nahm ihr Monna Pippa das Kind aus den Armen und wartete, bis Laura ins Boot gestiegen war, bevor sie es ihr mit aller Selbstverständlichkeit wieder übergab.
Laura sah die Filacenova-Kinder oben in den offenen Fenstern ihrer Kammern stehen und nach unten glotzen. Hinter ihnen stand ihr Vater, doch als Lauras Blick den seinen traf, trat er schnell vom Fenster zurück.
Monna Pippa räusperte sich. »Nun kann es losgehen, nicht wahr?« Sie lächelte, doch ihre Miene wirkte dabei seltsam maskenhaft.
Für einen Moment meinte Laura, in ihren Augen außer der deutlich erkennbaren Zufriedenheit auch eine Spur von schlechtem Gewissen
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