Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
zeremonielle Verhöhnung war Bestandteil seiner Strafe. Der Delinquent musste die öffentliche Schande ertragen, sich aufrecht stehend durch den Canal Grande rudern zu lassen, zur Belustigung des Volkes und zugleich zur Abschreckung jener, denen die Flüche allzu locker saßen.
    Unter dem Johlen der Menge legte das Boot an der Mole an, und Bewaffnete stießen den Mann über den Steg auf die Piazzetta, hinüber zum Pranger. Neben dem Schandpfahl stand ein maskierter Folterknecht aus dem Dogenpalast und wetzte in aller Ruhe mit einem Stein ein blinkendes Messer.
    Die Büttel fesselten den Priester an den Schandpfahl und rissen ihm die Eselsmaske herunter. Sie arretierten seinen Kopf so, dass er sich nicht mehr bewegen konnte, und einer von ihnen schob dem Verurteilten gegen dessen lautstarkes Flehen einen Kieferspreizer zwischen die Zähne.
    Antonio sah, wie Laura eine Hand vor den Mund presste.
    »Sei keine Memme, Lauro«, sagte er gereizt. »Sonst ...«
    »Sonst was ?«, fuhr sie ihn wütend an. »Schickst du mich sonst zum Teufel? So, wie du es eigentlich von Anfang an gern getan hättest?«
    Er erwiderte ihren Blick für einen Moment und las darin die stumme Anklage, bevor er sich verärgert abwandte. Er hatte den anfänglichen Groll, den er wegen ihres unerwarteten Auftauchens gehegt hatte, ziemlich schnell begraben, aber sie hatte recht – willkommen war sie ihm wahrlich nicht gewesen. Der Gestank vollgeschissener Windeln, das ewige Geschrei – sie hatten nächtelang kaum geschlafen. Dennoch hatte er nichts gesagt, vielleicht, weil Valeria so entschieden die Aufnahme des Mädchens befürwortet hatte, möglicherweise aber auch, weil Carlo sofort die Rolle des Beschützers eingenommen hatte. Antonio hätte sich gegen beide stellen müssen, um die neuen Zimmergenossen wieder loszuwerden, aber das war es ihm nicht wert gewesen. Und mit der Zeit, er wusste selbst nicht, wieso, hatte er sich an sie gewöhnt. Sogar an ihren Bruder, den kleinen Fratz, der einen ständig mit diesen großen, erstaunten Augen anglotzte, als wäre einem über Nacht eine zweite Nase gewachsen.
    Antonio schob sich durch die Menge und suchte sich ein Opfer aus. Auf den Verurteilten verschwendete er keinen weiteren Blick, er hatte schon zweimal miterlebt, wie einem Gotteslästerer die Zunge herausgeschnitten wurde. Bei der ersten öffentlichen Verstümmelung war ihm noch zu übel gewesen, als dass er ans Stehlen hätte denken können. Beim zweiten Mal war er klüger gewesen. Er hatte sich bereits vor Beginn des Spektakels einen Kaufmann ausgesucht, den er dann auch problemlos um seine Börse erleichtern konnte.
    Diesmal, so stellte er fest, kamen gleich mehrere Opfer in Betracht. Seit Beginn der neuen Condótta waren wieder zahlreiche Juden in der Stadt, und in der Regel handelte es sich bei ihnen um die Händler mit dem meisten Geld, schließlich war das Geldverleihen ihr angestammtes Gewerbe. Doch sie waren auch die argwöhnischsten und vorsichtigsten unter den Kaufleuten. Nicht wenige von ihnen hatten stets eine Hand auf ihrer Geldkatze liegen, und manche trugen sie sogar mit einer Kette um den Leib geschlungen.
    Antonio entschied sich für einen älteren Kaufmann, dessen Kleidung vornehm genug war, um auf einigen Reichtum schließen zu lassen, der aber nicht so kräftig aussah, als könnte er jemanden packen und festhalten. Er hatte eine Lederbörse halb verdeckt vom Saum seines Wamses an seiner Seite hängen. Sie schien nicht allzu prall gefüllt zu sein, doch Antonio hätte schwören mögen, dass sich darin keine kleinen Kupfermünzen, sondern Silberstücke befanden; vielleicht war sogar der eine oder andere Golddukaten dabei.
    Die Geräusche aus der Menge rund um den Pranger wurden lauter, die Sensationslust war beinahe mit Händen zu greifen. Ein Bediensteter des Strafgerichts trat vor und las mit lauter Stimme von einem ausgerollten Schriftstück das Urteil ab.
    Alle Menschen ringsum starrten erwartungsvoll den Büttel und den Verurteilten an, niemand nahm Notiz davon, dass sich weiter hinten ein Zuschauer, vermeintlich auf der Suche nach einem besseren Platz, durch die Menge drängte.
    Antonio hörte nur mit halbem Ohr zu, und während Satzfetzen wie Auf Beschluss der ehrenwerten Richter der Quarantia Criminal und Urteil nun öffentlich vollstreckt werden zu ihm drangen, behielt er die Börse des Kaufmanns im Auge. Seine Hand hatte sich um den Griff des kleinen Messers geschlossen.
    Ein gurgelnder Schrei ertönte vom Pranger her,

Weitere Kostenlose Bücher