Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Geschäft haben«, widersprach Laura. »Du hast selbst für eine gearbeitet, Valeria hat es mir erzählt.«
»Die erzählt viel, wenn der Tag lang ist«, gab Antonio mürrisch zurück.
»Die Frau hat eine Apotheke, hat Valeria gesagt. Und sie war gut zu dir und gab dir zu essen.«
»Sie ist eine alte, klapprige Kräutersammlerin mit einer hässlichen, scharfzüngigen Tochter, die einen von früh bis spät schikaniert, nichts weiter.«
»Aber sie hat ein eigenes Geschäft und verdient genug damit für ein anständiges Leben.«
Antonio hatte keine Lust, darauf zu antworten, also schwieg er einfach.
»Willst du denn immer nur stehlen?«, fragte Laura. »Als Mann hast du viele andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen.«
»Indem ich mir von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang den Buckel krumm schufte? Oder für ein altes Weib und deren boshafte Tochter den Knecht spiele?«
»Ist denn das nicht besser als Stehlen?«
»Du hast keine Ahnung, Lauro, deshalb solltest du lieber den Mund halten.«
»Und du bist roh und gemein, Antonio. Vielleicht hältst besser du den Mund. Und nenn mich nicht bei diesem Namen, wenn wir allein sind!«
Eine Weile schwiegen sie sich an, und Antonio ärgerte sich, dass er sie überhaupt mit auf den Turm genommen hatte. Sie hatte eine Art, ihn mit lästigen Fragen zu traktieren, die unweigerlich jedes Mal in Streit mündeten.
»Vielleicht werde ich eines Tages Soldat«, sagte er. Der Gedanke war ihm spontan gekommen, bisher hatte er darüber noch nie nachgedacht.
»Um dich von den Türken totschießen zu lassen?«
»Ich werde sie alle umbringen, bevor auch nur einer die Büchse oder den Säbel gegen mich heben kann«, prahlte er.
Ihre Mundwinkel verzogen sich spöttisch. »Zu dumm nur, dass der Krieg gerade vorbei ist.«
»Es wird andere Kriege geben. Es gab immer Krieg.«
»Die Türken werden dich fangen und dir bei lebendigem Leib die Haut abziehen.«
»Das werden wir sehen.«
Wieder schwiegen sie, beide ihren Gedanken nachhängend, die Blicke auf die Dächer unter ihnen gerichtet.
»Du könntest heiraten«, sagte Antonio unvermittelt in die Stille herein. »Einen reichen Mann, der dich und deinen Bruder versorgt. Und die Kinder, die du einst haben wirst.«
Grinsend wandte Laura ihm das Gesicht zu. »Das ist nicht dein Ernst.«
»Warum nicht?«, fragte er erstaunt.
Sie lachte. »Wer würde mich denn nehmen? Schau mich doch nur an!« Sie zupfte an ihren verschnittenen wilden Locken und deutete mit der anderen Hand an sich herab. »So ein dürres Gestell voller Sommersprossen. Mit feuerroten Haaren und braun wie ein Stück Leder.«
»Wenn du die Haare wachsen lässt und ein Kleid anziehst, würdest du wie ein normales Mädchen aussehen. Später würden dich dann auch die Männer anschauen, und einer von denen wird dich schon haben wollen.«
»Es reicht, dass Valeria schön ist«, sagte sie abweisend. »Ich lege keinen Wert darauf, mich angaffen zu lassen. Oder ... oder ... das zu tun, was Valeria tut. Das ist die schlimmste Sünde, viel schlimmer als Stehlen.«
»Wenn es in der Ehe geschieht, ist es keine Sünde.«
»Das, was du nachts in der Kammer auf deinem Strohsack tust, ist es aber dafür umso mehr«, meinte sie schnippisch.
Diesmal wurden ihm die Wangen so heiß, dass er überzeugt war, wie eine frisch entzündete Fackel zu leuchten. Er tat einfach so, als hätte er nicht begriffen, was sie meinte.
»Antonio?«
Er fuhr zusammen. »Ja?«
»Ich bin froh, dass du mich mit hier raufgenommen hast.«
»Das hab ich nicht für dich gemacht«, behauptete er, und er hätte sich selbst einen Hieb versetzen mögen, weil er merkte, dass sein Gesicht noch röter anlief als vorher. »Ich wollte sowieso mal wieder Venedig von oben sehen.« Er wechselte das Thema. »Wusstest du, dass der Turm früher ein goldenes Dach hatte?«
Sie schüttelte den Kopf. »Was ist damit passiert?«
»Der Blitz schlug ein und hat es zerstört. Aber es soll wieder hergerichtet werden. Als weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt.«
»Aus welcher Ferne man es dann wohl sehen kann? Etwa auch von der Terraferma aus?«
Er zuckte die Achseln. »Wer weiß. Wenn ich das nächste Mal dort bin, werde ich danach Ausschau halten.«
Sie beugte sich über die Brüstung und schaute hinab. »Was ist da unten los?«
Antonio folgte ihren Blicken. Unten auf der Piazzetta sammelten sich Menschen, und im Nu hatte sich rund um die Säulen eine Menge gebildet. Kaum einer von ihnen schaute zu dem Käfig hoch, der
Weitere Kostenlose Bücher