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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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warf das Sonnenlicht zurück, und unter den Goldreflexen wechselte das Wasser seine Farbe zwischen Blau und Türkis. Dort, wo aus der Lagune die Ufer von San Michele und noch weiter draußen diejenigen von Murano auftauchten, war es stumpfgrau wie der Himmel bei Regen.
    Matteo spielte zu ihren Füßen in dem lehmigen Sand, er buddelte Steine aus und betrachtete sie von allen Seiten, eine Tätigkeit, die ihn restlos zu faszinieren schien. Laura musste nichts weiter tun, als darauf zu achten, dass er seine Beute nicht in den Mund steckte, eine Angewohnheit, die er bisher noch nicht abgelegt hatte.
    Zwischendurch stemmte er sich auf seine Beinchen hoch und hielt sich an dem Felsen fest, während er vorsichtig ein paar Schritte tat. Vor ungefähr zwei Wochen hatte er zu Lauras großem Entzücken das Laufen gelernt, tapsig und unsicher zwar, aber er konnte sich auf seinen eigenen Beinen fortbewegen und wurde nun nicht müde, diese neue Fähigkeit zu erproben. Am besten klappte das hier am Strand, wo er mit seinem nackten Hinterteil in den Sand plumpsen konnte, wenn er das Gleichgewicht verlor.
    Vom Feuer drang der intensive Duft von gebratenem Fisch herüber. Carlo hockte mit überkreuzten Beinen vor den Flammen und drehte sorgsam den Spieß hin und her.
    Laura lauschte dem Knurren ihres Magens, und das Wasser lief ihr im Mund zusammen bei der Aussicht, sich gleich den Bauch vollschlagen zu können. Und morgen und übermorgen und viele Tage danach auch. Ihr Diebeszug war einträglich gewesen, in der Börse des Kaufmanns hatten sich sogar einige Goldstücke befunden. Sie würde sich wochenlang bestes Essen leisten können, und ihr Mietanteil für den Winter war ebenfalls gesichert. Sie und ihr Bruder waren die nächsten paar Monate versorgt. Sie hätte darüber glücklich sein sollen, doch stattdessen fühlte sie ein Unbehagen in sich, das nicht weichen wollte.
    Der Fisch war fertig. Carlo schnitt mit seinem Messer ein Stück davon herunter und spießte es auf ein Stöckchen, um es Laura zu bringen.
    Er streckte es ihr hin. »Willst du?«
    »Ich danke dir.« Sie biss hungrig von dem Fisch ab und schlang Stück für Stück hinunter. Wie erwartet verbrannte sie sich die Zunge und den Gaumen, doch das hatte sie seit Beginn ihres neuen Lebens noch nie davon abhalten können, schnell und gierig zu essen.
    Sie überlegte, wie eigenartig es war, dass sie sich immer noch höflich für eine Mahlzeit bedankte, so wie ihre Eltern es sie gelehrt hatten, nur um dann jeden Bissen hinunterzuschlingen wie ein wildes Tier. Bis auf das Huren hatte sie sich alle nur denkbaren Laster und Gemeinheiten angewöhnt, angefangen vom Lügen und Betrügen über das Stehlen bis hin zur völligen Gottlosigkeit, wobei Letzteres vermutlich als schwerste Todsünde ihre größte Verfehlung war. Seit ihrer Flucht hatte sie an keiner Messe mehr teilgenommen, und trotz der täglich gesprochenen Gebete wusste sie, dass sie damit ihr Seelenheil weit nachhaltiger verspielte als mit ihren Diebereien. Irgendwann würde sie daher in derselben Hölle schmoren wie der Mann, der das Schwert gegen ihren Vater gezogen hatte. Oder wie der Patrizier Cattaneo und die Nonne Arcanzola, die Sünden begingen, von denen Laura nur ahnen konnte, wie grässlich sie waren.
    Was sie selbst für ihre Verfehlungen an göttlicher Strafe zu erwarten hatte, malte sie sich lieber gar nicht erst aus. Allein das, was sie heute getan hatte, brachte sie bestimmt an den Rand ewiger Verdammnis.
    Sie spürte Carlos Seitenblicke. Wie immer merkte er es, wenn sie Kummer hatte. Um sich und ihn abzulenken, zerkleinerte sie mit dem Holzspieß einen Teil von dem heißen Fisch auf dem von Regen und Meerwasser blank gewaschenen Felsen und nahm dann Matteo auf den Schoß. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Essen«, sagte sie. Er sperrte sofort wie ein hungriger kleiner Vogel den Mund auf und ließ sich von ihr mit winzigen Fischbröckchen füttern.
    »Was war los?«, fragte Carlo.
    Sie erzählte es ihm, und er hörte zu, so wie er es immer tat, schweigsam und das dunkle Gesicht so verschlossen wie eh und je. Er hatte die unendlich langen und schmalen Beine vor dem Körper verschränkt und hielt sie mit seinen Armen umschlungen. Eine ferne Erhabenheit ging von ihm aus, er vermittelte eine seltsame Mischung aus Nähe und Zurückhaltung, und er tat es auf eine Weise, die es ihr leicht machte, ihm ihre Sorgen anzuvertrauen. Es war fast so, als spräche sie zu einer übergeordneten Instanz, wie bei einem

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