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Die Landkarte der Finsternis

Die Landkarte der Finsternis

Titel: Die Landkarte der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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engstirniger, hartherziger Unhold war. Ich wäre im Reinen mit mir – und mit dir, wenn du seine Gedichte in einer ruhigen Minute einmal lesen würdest. Sie drücken aus, wovor wir die Ohren verschlossen hielten; vielleicht gelingt es ihnen eines Tages, uns ein wenig Nachsicht gegenüber dem Unrecht einzuflößen, das man uns angetan hat.
    In dich werde ich zeitlebens das Vertrauen derer bewahren, die durch dieselben Prüfungen gegangen sind und daraus mehr Weisheit als Wut geschöpft haben.
    Mit afrikanischem Bruderkuss (in Afrika sind wir alle Brüder),
    Bruno
    Unten auf dem Blatt sind noch E-Mail-Adresse und Telefonnummer notiert.
    Claudia hat darauf bestanden, mich aus meiner Höhle zu locken. »Du siehst aus wie ein alter Brummbär«, hat sie mir vorgeworfen. Da ich nicht genug Kraft habe, um nein zu sagen, habe ich nachgegeben. Sie hat mich in ein Restaurant am Stadtrand entführt. Das Dämmerlicht im Inneren des Lokals hat mich besänftigt. Wir haben uns einen Tisch hinten im Raum gesucht. Außer uns sind nur drei weitere Paare da. Niemand hat mich erkannt. Claudia hat für uns beide das Tagesmenü bestellt. Wir widmen uns schweigend unserer Mahlzeit. Ich spüre, dass Claudia irgendwie zögerlich ist. Immer, wenn sie zum Reden ansetzt, schnappt sie nach Luft und macht dann den Mund wieder zu. Wir sitzen vor halbvollen Tellern, als ein Mann forschen Schrittes an unseren Tisch tritt und uns begrüßt. Ein älterer Herr mit fülligem Gesicht, der eine Hornbrille und eine goldene Armbanduhr trägt. Ich kenne ihn nicht. Claudia lädt ihn ein, sich zu uns an den Tisch zu setzen. Er zaudert oder tut jedenfalls so als ob, bevor er annimmt. Wie er mich anlächelt, das geht mir durch und durch. Dass Claudia mir ungefragt einen Fremden aufdrängt, gefällt mir ganz und gar nicht.
    Â»Darf ich dir Doktor Brandt vorstellen. Er ist ein berühmter Psychologe.«
    Der Herr streckt mir eilig die Hand hin.
    Â»Sehr erfreut, Doktor Krausmann. Claudia hat mir schon berichtet, dass Sie nach allem, was Sie erlebt haben, ganz hervorragend zurechtkommen.«
    Sie hat ihm also von mir erzählt.
    Ich winke dem Kellner und verlange die Rechnung. Ich halte es nicht aus, auch nur eine Minute länger in Gesellschaft einer Person zu bleiben, die mehr über mich weiß als ich über sie.
    Claudia merkt, dass sie mich verletzt hat. Während der Fahrt sagt sie kein Wort, knetet nur nervös ihre Finger. Ich fahre ohne jede Nervosität, aber innerlich koche ich. Als wir vor ihrer Wohnung ankommen, stelle ich den Motor aus und wende mich abrupt zu ihr:
    Â»Dein Seelenfritze, der war doch nicht zufällig da.«
    Sie tupft sich das Gesicht mit dem Taschentuch ab, schluckt krampfhaft.
    Â»Du hast viel durchgemacht, Kurt. Du hast Entsetzliches hinter dir. Du bist Arzt und weißt besser als ich, dass es nicht verwerflich ist, einen Psychologen zu Rate zu ziehen.«
    Â»Aber es ist sehr wohl verwerflich, wenn du dir anmaßt, über meinen Kopf hinweg zu entscheiden. Du hättest mir wenigstens etwas sagen können. Du kennst mich doch, ich halte es eher mit den Schwimmern als mit den Fußballspielern. Ich hasse dieses Gedribbel und Hineingegrätsche von hinten und diese ganzen Täuschungsmanöver. Ich schwimme immer schön in meiner Bahn und achte darauf, den anderen nicht in die Quere zu kommen.«
    Sie ist kurz davor, in Tränen auszubrechen. Ihr Gesicht zuckt und bebt.
    Â»Du bist nicht mehr derselbe, Kurt. Jeden Tag wird es schlimmer. Du wirfst mir vor, dass ich zu viel Zeit unter der Dusche verbringe und Wasser vergeude. Du schimpfst auf die Leute, die ihren Teller nicht leer essen. Und du hättest neulich fast einen Anfall bekommen, als du die Werbung mit dieser Sängerin gesehen hast, die in einem Kleid aus Tierfleisch steckt. Du bist jetzt seit einem Monat zurück, und dein Fall wird immer schlimmer …«
    Â»Mein Fall , Claudia?«
    Â»Ja, Kurt … Ich mache mir Sorgen. Ich will dir doch nur helfen. Doktor Brandt ist ein alter Freund. Er ist wirklich sehr gut, das kannst du mir glauben … Bitte, Kurt, sag mir doch, was nicht in Ordnung ist?«
    Â»Ja, findest du denn, dass hierzulande irgendetwas in Ordnung ist?«
    Â»Ja, du denn nicht …?«
    Sie ballt die Fäuste und platzt los:
    Â»Du hast dich fürchterlich verändert, Kurt.«
    Â»Glaubst du?«
    Â»Ich sehe es doch.«
    Â»Und was

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