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Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Clarke
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hatte Mia gehört, eines der wenigen Kleidungsstücke, die Katie im Rucksack gelassen hatte. Finn berührte die zarten Baumwollträger, die einst auf Mias Schultern gelegen hatten. Welche Erinnerung, fragte sich Katie, barg dieses Kleid, dass er die Augen schließen musste? Er wog es in den Händen, als ob er in der leeren Hülle nach einem Körper, einer Substanz suchen würde, dann hielt er sich das Kleid ans Gesicht und atmete den Geruch ihrer Schwester ein.
    Auch wenn du tot bist, das mit dir und Finn wird niemals enden, oder?
    Finn schlug die Augen auf, ihre Blicke trafen sich. Beide schwiegen. Mia war plötzlich so präsent, dass es im Zimmer eng und stickig wurde. Beide hielten sie ein Teil von ihr in Händen.
    Dann ließ Finn das Kleid abrupt los und räusperte sich. »Du hast das Tagebuch wieder.«
    Â»Ja.«
    Â»Du willst es sicher weiterlesen«, sagte er und stand auf. »Ich lass dich mal in Ruhe.«
    Sie nickte. Noch bevor er die Tür hinter sich zugezogen hatte, saß sie schon auf dem Bett, legte sich das Tagebuch in ihren Schoß und schlug die Seiten mit Mias intimsten Gedanken auf.

Kapitel 24
Mia
Bali, März
    Mia hatte die Spitze der Klippen erreicht. Keuchend stemmte sie die Hände in die Hüften und schnappte nach Luft. Schweiß perlte zwischen ihren Brüsten und unter dem Bund ihrer Shorts. Dankbar spürte sie die Brise, die vom Meer her über die Klippen strich.
    Noah saß im Schatten eines Felsens, die Knie an die Brust gezogen. Mia hatte gewusst, wo sie ihn finden würde. Es trieb ihn jeden Tag an diesen einsamen Ort hoch über dem Meer, von hier aus schaute er nach unten auf die tosenden Wellen. Noah reagierte nicht auf Mias Schritte und rührte sich auch nicht, als sie sich neben ihn setzte und sich an den kühlen Stein lehnte.
    Mia zog eine Flasche Wasser und ein Sandwich aus ihrem Stoffbeutel. »Du hast doch sicher Hunger.«
    Â»Danke«, sagte er und nahm den Proviant entgegen. Dabei sah er sie kurz an. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen, an seinem Kinn zeigten sich längere Stoppeln, die Wunde an seiner Stirn war von braunem Schorf bedeckt.
    Der Unfall lag nun drei Wochen zurück. Noah war danach selbst ins Krankenhaus gefahren, ein Blutfleck auf dem Fahrersitz bezeugte das. Der Arzt, der ihn erst untersucht hatte, als Noah mit seinem Versicherungsnachweis zurückgekommen war, hatte ihm erklärt, er habe eine Rotatorenmanschettenruptur der Schulter und eine sieben Zentimeter lange Fleischwunde am oberen Rücken, die genäht werden müsste.
    Â»Ich hab im Hostel auf dich gewartet. Wie war’s bei der Untersuchung?«
    Sein Blick war auf die See gerichtet, die von sanften, flachen Wellen gekräuselt wurde.
    Â»Es hat sich entzündet.«
    Am Vortag, als Mia Noah geholfen hatte, den Verband zu wechseln, hatte sie die Wunde gesehen. An den zackigen, rohen Rändern bildete sich ein rosafarbener Saum, aber in der Wunde hatte das Fleisch einen helleren, gelblichen Ton gehabt, und deshalb hatte Mia befürchtet, die Wunde könnte infiziert sein. »Hast du Antibiotika bekommen?«
    Er nickte. »Jedenfalls sagt der Arzt, dass ich mindestens drei Monate lang nicht ins Wasser kann. Womöglich sogar sechs.«
    Â»Das geht schneller«, versicherte sie ihm und drückte seine Hand.
    Am Morgen nach dem Unfall hatte sie Noah am Nyang Beach aufgestöbert. Mit dem gesunden Arm hatte er Stöcke, die der Sturm angespült hatte, zurück ins Meer geworfen.
    Â»Ich muss wissen«, hatte Mia gesagt und sich neben ihn gestellt, »weshalb du dich in eine so große Gefahr begibst.« Die ganze Nacht lang hatte sich das Bild, wie er aus den Wellen stolperte, vor ihrem geistigen Auge abgespult. »Du hättest dabei sterben können.«
    Noah hatte sie mit ausdrucksloser, undeutbarer Miene ange­sehen. »Das ist mir bewusst.«
    Seither hatte er die meisten Tage allein auf der Klippe verbracht, die Wellen betrachtet und dem fernen Johlen und Rufen der Surfer gelauscht. Abends kam er in ihr Zimmer und liebte sie mit einer verzweifelten Dringlichkeit. Danach lagen sie nebeneinander unter dem rotierenden Ventilator, bis Noah, wie immer allein, in sein Zimmer zurückging.
    Â»Was hältst du von der Idee«, begann Mia und zwang sich zu einem vergnügten Tonfall, »wenn wir morgen mal was unternehmen? Du hast doch gesagt, Ubud sei so schön. Ich würde gern die

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