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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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Munition einrichteten. Zwischen diesem Turm und dem Fahrgastraum
     war, wie Claire belustigt wahrnahm, auch ein Periskop installiert.
    Der Fahrer, ein blasser, einfältig grinsender Bursche, öffnete die Waggontür und postierte sich mit dem Expeditionsleiter
     daneben in Habtachtstellung. Wie ein Oberst, der seine Truppe inspiziert, schritt Gilliam Murray langsam die Reihe der Passagiere
     ab und betrachtete sie mit liebevollem Ernst. Claire beobachtete, wie er vor einer Dame stehenblieb, die ein Hündchen im Arm
     trug.
    «Ich fürchte, Mrs.   Jacobs, Ihr Hündchen wird hierbleiben müssen», sagte er mit wohlwollendem Lächeln.
    «Aber Mr.   Murray, ich gebe doch Buffy nicht aus den Händen   …», erboste sich die Dame.
    Gilliam schüttelte verständnisvoll, doch mit unnachgiebiger Autorität den Kopf, nahm das Tier mit einer raschen, |321| aber nicht verletzenden Bewegung an sich, und übergab es einer seiner Sekretärinnen.
    «Bitte, Lisa, sorgen Sie dafür, dass es Buffy an nichts mangelt, bis Mrs.   Jacobs zurück ist.»
    Nach dem Zwischenfall mit dem Hündchen nahm Murray seinen Inspektionsgang wieder auf, ohne die schwachen Proteste von Mrs.   Jacobs weiter zu beachten. Dann blieb er mit bühnenreifer Kummermiene vor zwei Herren stehen, die große Reisetaschen mit sich
     führten.
    «Sie brauchen auch kein Gepäck auf dieser Reise, Gentlemen», sagte er und nahm ihnen die Taschen ab.
    Schließlich bat er die Reisenden, ihre Taschenuhren auf das Tablett zu legen, mit dem Lisa an ihnen vorbeiging, und wies sie
     noch einmal darauf hin, dass damit die Gefahr eines Angriffs der Ungeheuer verringert würde. Als alles zu seiner Zufriedenheit
     war, stellte er sich vor der Gruppe auf und betrachtete sie stolz lächelnd wie ein Befehlshaber, der seine Truppe in ein Selbstmordkommando
     schickt.
    «Nun, Ladys und Gentlemen, genießen Sie das Jahr 2000.   Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, dass den Anweisungen von Mr.   Mazursky jederzeit unbedingt Folge zu leisten ist. Bei Ihrer Rückkehr werde ich hier sein, und der Champagner wird bereitstehen.»
    Nach diesen väterlichen Abschiedsworten zog er sich in den Hintergrund zurück und überließ Mazursky die Bühne, der die Reisenden
     freundlich aufforderte, nun die
Cronotilus
zu besteigen.
     
    In unordentlicher Reihe und erregt betraten die Reisenden das luxuriöse Innere des Gefährts. Der mit Seidentapeten |322| bespannte Waggon verfügte über zwei durch einen schmalen Gang getrennte Reihen Holzbänke, unter der Decke und an den Wänden
     waren Kerzenhalter angebracht, die das Innere in ein trübes, flackerndes Licht tauchten, das zur Andacht einlud. Lucy und
     Claire teilten sich etwa in der Mitte des Waggons eine Bank mit Mr.   Ferguson und dessen Gattin sowie mit zwei milchgesichtigen jungen Männern, die, von ihren Eltern schon nach Paris und Florenz
     geschickt, damit sie sich Kunstverstand aneigneten, nun in die Zukunft entsandt wurden, um eine höhere Sicht auf das Leben
     zu bekommen. Während die restlichen Passagiere ihre Plätze einnahmen, unterhielt sie Ferguson, den Kopf nach hinten gedreht,
     mit geschmacklosen Bemerkungen über die Einrichtung, zu denen Lucy höflich lächelte. Claire bemühte sich, die beiden zu ignorieren
     und den außergewöhnlichen Augenblick auszukosten, doch leicht fiel ihr das nicht.
    Als alle saßen, schloss der Expeditionsleiter die Tür des Waggons und nahm auf einem Klappstuhl vor ihnen Platz wie ein Galeerenaufseher
     vor den Reihen der Ruderer. Unmittelbar darauf setzte sich das Gefährt mit einem heftigen Ruck in Bewegung, der ein paar spitze
     Schreie aus dem Publikum hervorrief. Mazursky beruhigte die Leute mit dem Hinweis, das Rütteln rühre daher, dass soeben der
     Motor angeworfen worden sei. Und tatsächlich konnten sie feststellen, dass das unangenehme Rütteln bald einem gleichmäßigen
     Surren wich, das vom hinteren Antrieb des Wagens kam. Mazursky warf daraufhin einen Blick durch das Periskop und lächelte
     zufrieden.
    «Ladys und Gentlemen, ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir uns in Richtung Zukunft bewegen. |323| In diesem Augenblick durchqueren wir die vierte Dimension.»
    Wie zur Bestätigung seiner Worte schwankte das Gefährt einen Moment lang bedenklich, was für neuerliche Unruhe unter den Reisenden
     sorgte. Der Expeditionsleiter beruhigte sie wieder und entschuldigte sich für den Zustand der Straße. Man habe zwar versucht,
     den Weg, den die
Cronotilus
durch

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