Die Lange Erde: Roman (German Edition)
prallte Joshua plötzlich gegen einen Elefanten.
Zum Glück war er weder rosa noch getarnt. Er war ziemlich klein, ungefähr so groß wie ein Ochse, und mit drahtigem braunen Fell bedeckt. Auf seinem Rücken saß ein Reiter, ein untersetzter grauhaariger Mann, der ihn mit einem fröhlichen »Ach, noch ein Neuer!« begrüßte und sodann fortfuhr: »Wo kommst du denn her, mein Freund? Ich heiße Wally, bin schon seit elf Jahren hier. Ein dolles Ding, aber echt, Mann. Und ein ziemlicher Mist obendrein, das Ganze, zum Glück war ich nich verheiratet! Dabei hätt’s mir nich an Gelegenheiten gefehlt, versteh mich nich falsch, weder vorher noch nachher.« Der offenherzige Wally rutschte vom Rücken seines Minielefanten herunter und streckte Joshua eine ledrige Hand entgegen. »Schlag ein!«
Sie schüttelten sich die Hände, und Joshua stellte sich vor. »Ich bin erst ein paar Tage hier. Bin hergeflogen. Mit einer Flugmaschine«, fügte er rasch hinzu.
»Echt? Toll! Wann fliegst du wieder weg? Hast du noch’n Plätzchen frei?«
Joshua hatte sich schon darüber gewundert, dass so wenige Bewohner von Happy Landings diese Frage gestellt hatten. Dass so wenige von hier wegwollten. »Ich fürchte, das geht wirklich nicht, Wally. Wir müssen noch so etwas wie einen Auftrag erfüllen.«
»Kein Problem«, erwiderte Wally, allem Anschein nach unbeeindruckt. »Ich bin ein Stück flussabwärts gestakt und hab dort Jumbo hier gefunden. Ein netter kleiner Kerl, was? Genau das Richtige für lange Wege, und ziemlich schlau ist er auch. Sie kommen aus den Ebenen hierher.« Er seufzte. »Mir ist das offene Land lieber, ehrlich gesagt. Wälder mag ich nich so, die sind mir zu unheimlich. Ich spür lieber den Wind im Gesicht.« Sie gingen in Richtung Rathaus, Jumbo trottete brav hinter ihnen her. »Wir haben an der neuen Straße nach Süden raus gearbeitet«, erzählte Wally weiter. »Solange ich sie fällen kann, machen mir Bäume nichts aus! Aber ich denk mal, ich hab meinen Aufenthalt hier inzwischen redlich abgearbeitet, deshalb wird es Zeit, dass ich mir ein Boot baue und Australien entdecke. Das ist die längste Strecke überhaupt, aber echt.«
»Das ist auf der anderen Seite der Welt, Wally. Außerdem ist es nicht das Australien, an das du dich erinnerst.«
»Das geht schon in Ordnung. Mir ist jedes Australien recht. Ich komm da natürlich nicht auf einen Rutsch hin, klar, aber es dürfte ja nich so schwer sein, einfach die Küste entlangzusegeln, immer dicht am Ufer. Unterwegs gibt’s jede Menge gute Sachen zu essen, und dann geht’s rüber nach Hawaii. Da kannst du nämlich deine Stiefel drauf verwetten, dass das einer der ersten Orte ist, den die Wechsler kolonisieren wollen. Und danach, tja, das werden wir dann schon sehen. Aber überall dort, wo’s Menschen gibt, gibt’s auch ’ne Kneipe, und wo’s ’ne Kneipe gibt, dort taucht früher oder später Wally auf!«
Joshua gab Wally zum Abschied die Hand und wünschte ihm eine gute Reise.
Auf der Rückseite des Rathauses traf er Sally wieder, die wie immer von freundlichen Gesichtern umgeben war. Als sie Joshua erblickte, kam sie auf ihn zu. »Den Leuten fällt es allmählich auch auf. Sogar hier.«
»Was?«
»Das mit den Trollen. Dass immer mehr von ihnen in Richtung Osten wechseln. Ziemlich wilde Banden kommen hier durch, und sogar von den einheimischen Trollen, die man fast schon als domestiziert bezeichnen könnte, wollen angeblich einige weg, aber noch verhalten sie sich irgendwie höflich. Die Anwohner sind aber schon ein wenig beunruhigt.«
»Hm. Erste kleine Wellen im stillen Teich von Happy Landings?«
»Hat Lobsang genug Dr. Doolittle gespielt? Es wird Zeit, dass wir ablegen und weiter nach Westen fliegen.«
»Komm, wir sehen mal nach.«
Bis auf einen Haufen Trolle, die sich wie Welpen eng aneinanderkuschelten, schien das Aussichtsdeck des Schiffs leer zu sein. Dann kam Bewegung in den Haufen, und Lobsang streckte den Kopf heraus. Er strahlte.
»Fell fühlt sich an den taktil empfindlichen Stellen richtig toll an, wusstet ihr das? Ich fühle mich rundum selig. Und sie können sprechen! In extrem hohen Frequenzen, mit sehr minimalem Vokabular … Allem Anschein nach gibt es unterschiedliche Arten der Kommunikation. Es kommt mir fast so vor, als ginge es beim Trollsein einzig und allein darum, mit anderen zu kommunizieren, aber ich vermute, dass der wahre Informationsaustausch in den Liedern stattfindet. Ich glaube, dass ich jetzt die entsprechenden
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