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Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Titel: Die Lange Erde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Stephen Baxter
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die Dunkelheit.
    Dort, genau in der Mitte des Steinkreises, stand etwas. Eine Gruppe stämmiger, untersetzter Gestalten, die eben noch nicht dort gewesen waren. Auf den ersten Blick hätte man sie für weitere Hinkelsteine halten können, Monolithen, die einen inneren Kreis bildeten. Aber es waren keine Monolithen. Sie hatten Affengesichter und schwarze behaarte Körper, und sie standen aufrecht. Wie Kinder in Affenanzügen. Das Licht der Laterne war nur schwach, die Schatten pechschwarz.
    »Sie müssen hergewechselt sein«, keuchte Lol.
    »Soll das ein Witz sein? Süßes oder Saures? Es ist noch nicht Halloween, ihr Penner!« Gareth war nervös. Unbeaufsichtigte Kinder machten ihn immer nervös. »Hört mal, wenn ihr nicht sofort Leine …«
    Wie auf Kommando öffneten die kleinen Gestalten ihre Münder und sangen. Sie fanden sich auf Anhieb zu einem einzigen Akkord, einer vielstimmigen Harmonie zusammen. Nachdem sie den Akkord eine unwahrscheinlich lange Zeit gehalten hatten, stimmten sie so etwas wie ein Lied an. Gareth hatte den Eindruck, als würde es mit großem Tempo gesungen, aber die Harmonien saßen dennoch einwandfrei und klangen wunderschön, so schön, dass es Gareth den Magen zusammenzog.
    Lol, der auf der anderen Seite des Steinkreises stand, sah völlig entsetzt aus und presste die Hände auf die Ohren. »Sie sollen aufhören!«
    Gareth hatte eine Eingebung. Er packte seine Schläger. »Schlag auf die Steine! Los, mach schon!« Er drosch den Baseballschläger gegen den nächstbesten Stein. Er gab einen dumpfen Ton von sich. Dann hämmerten er und Lol wie wild auf die Steine ein. Immer mehr dumpfe Töne stiegen auf, hässlich und misstönend. Trotz seiner Angst vor diesen Affenwesen verspürte Gareth einen Triumph in sich, eine gewisse Genugtuung. Er hatte recht gehabt. Diese Steine waren Lithofone, deren Gestalt dem Ton entsprach, den sie erzeugten, und die keinesfalls ihres bloßen Aussehens wegen geschaffen waren. Also schlug und hämmerte er auf die Steine ein, und Lol machte es ebenso.
    Die Affenwesen wirkten verstört. Ihre dichte Formation löste sich auf, die Affenmaskengesichter verzogen sich, Zähne wurden gefletscht, und ihr Lied verwandelte sich in wütendes Johlen und Geschnatter. Einer nach dem anderen flimmerte kurz und verschwand wechselnderweise nach nebenan. War das der Sinn und Zweck der Singenden Steine? Sollten sie diese hässlichen Missklänge erzeugen, um die singenden Affenwesen davon abzuhalten, in die Welt zu treten – genau, wie es die Legende besagte?
    Kurz darauf lag die Lichtung zwischen den Steinen so einsam und verlassen da wie zuvor. Gareth starrte die Steine und ihre langen Schatten an. Die Wände der Welt kamen ihm sehr dünn vor.
    *
    Aus Berichten über Zwischenfälle wie diesen erfuhren Lobsang und Joshua an Bord der Mark Twain, dass die Pioniere der erzwungenen Troll-Wanderung bereits weiter vorgedrungen waren, als sich das irgendjemand hätte träumen lassen.

28
    J oshua und Lobsang tauchten immer weiter in die Lange Erde ein, dehnten ihre provisorischen Erkundungen aus.
    In die Langeweile des Maisgürtels waren viele Joker eingebettet. Jetzt beispielsweise eine Heuschreckenwelt: Das Luftschiff tauchte inmitten einer fliegenden Plage großer, schwerer Insekten auf, die kurzzeitig gegen die Wände der Gondel prasselten. Dann hielt sich die Mark Twain eine Weile in einer Welt auf, in der Lobsang zufolge das Hochland von Tibet nie entstanden war, ein Zufall tektonischer Verschiebungen. Seine fliegenden Drohnen offenbarten, dass ohne den Himalaja das Klima in ganz Zentral- und Südasien, sogar in Australien radikal anders war.
    Und es gab Welten, aus denen sie überhaupt nicht schlau wurden. Eine Welt war völlig in einen immerwährenden blutroten Sandsturm gehüllt, wie eine Albtraumversion des Mars. Eine andere sah aus wie eine völlig glatte Bowlingkugel, die sich unter einem wolkenlosen blauen Himmel drehte.
    Und wieder machten sie mit dem üblichen eigenartigen Schlingern halt, als würde man von einer Schaukel fallen. Joshua schaute nach unten. Er sah eine Welt aus vergilbtem Gras und spindeldürren Bäumen. Das Luftschiff trieb über einen Fluss, der in seinem Bett geschrumpft war und breite Uferstreifen aus rissigem Schlamm zurückgelassen hatte. Am Wasser drängten sich Tiere, die einander nervös beäugten. Joshua warf einen Blick auf das Erdometer: 127.487. Eine sinnlose Zahlenfolge.
    »Man sieht deutlich, dass diese Erde unter einer besonders trockenen

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