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Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Titel: Die Lange Erde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Stephen Baxter
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worden. Keiner von ihnen schien einen Wechsler dabeizuhaben, was jedoch nicht ungewöhnlich war. Sie waren hier zu Hause gewesen, hatten sich in dieser Welt sicher gefühlt.
    Er erreichte das große Gebäude auf dem Hügel. Wenn diese Siedlung dem Muster der meisten religiös motivierten Kolonien folgte, dann musste es sich um die Kirche handeln, das heilige Haus, das erste dauerhafte Gebäude, das errichtet worden war. Schon deshalb würde es vieles von dem enthalten, was der Gemeinschaft gehörte, unter anderem die Funkstation und das Stromaggregat. Zugleich war es der Ort, an den man floh, wenn eine Katastrophe hereinbrach, ein Zufluchtsort, wie es Kirchen in der Geschichte der abendländischen Welt stets gewesen waren. Auf jeden Fall lagen viele Leichen rings um dieses Gebäude. Vielleicht hatte der Feind gleich nach der Morgenandacht zugeschlagen, oder wie die Opfer ihre entsprechende Zeremonie nannten. Vielleicht Auflockerung am Morgen.
    Die Türen waren geschlossen, dahinter konnte sich alles Mögliche befinden. Schwarze Fliegenwolken erhoben sich, als Joshua sich näherte, Krähen beobachteten ihn empört von den Dächern ringsumher.
    Das Luftschiff erschien wieder, direkt über ihm.
    »Bewegt sich irgendwo etwas, Lobsang?«
    »Keine sichtbare Gefahr in deiner Nähe.«
    »Ich sehe mir mal die Kirche an. Oder den Tempel oder wie auch immer.«
    »Sei vorsichtig.«
    Er stand vor einer Flügeltür in einer dicken Steinwand, die mit einer Art Gips verputzt war. Joshua trat kräftig gegen die Tür und hätte sich fast den Knöchel gebrochen.
    »Schone dein fragiles Endoskelett«, sagte Lobsang trocken. »Auf der Rückseite steht eine Tür offen.«
    Die Hintertür war regelrecht aus den Angeln gerissen und nach draußen auf die Straße geschleudert worden. Joshua betrat durch den geborstenen Rahmen einen kleinen dahinterliegenden Raum, in dem ein Funksender immer noch unschuldige Nachrichten ins Universum schickte. Joshua schaltete ihn respektvoll aus. Eine andere Tür führte in einen Allzweckraum, eine Art Küche plus Abstellkammer, wie es sie in jedem Gemeindesaal gab. Hier befanden sich eine Teekanne und Kinderspielzeug aus grob geschnitztem Holz. An den Wänden waren sogar mit Fingerfarben gemalte Kinderbilder zu sehen, dazu ein in Englisch verfasster Putzplan. In der kommenden Woche wäre Schwester Anita Dowsett an der Reihe gewesen.
    Eine weitere Tür führte in den großen Saal. Hier lagen die meisten Leichen. Überall klebte Blut auf dem Boden, die Wände waren mit Blut bespritzt, über den niedergestreckten, reglosen Gestalten summten Fliegen in dichten Wolken.
    Joshua musste über Leichen steigen. Er hielt sich ein Taschentuch vor den Mund. Einen Leichnam drehte er um und sah sich die Wunden genauer an. Zuerst hatte er angenommen, die Leute wären hierher geflohen, hätten die Sicherheit der dicken Wände und schweren Türen gesucht – sogar derart weit gereiste Pioniere verfielen in der Not auf solche Urinstinkte. Aber etwas an dem Muster machte ihn stutzig.
    »Joshua?«
    »Ich bin hier, Lobsang.« Er kam zu einem Altar. Sein Aufsatz bestand hauptsächlich aus einer großen silbernen Hand, die einem eine lange goldene Nase drehte. »Die Leute waren komödiantische Atheisten. Das Leben hier muss sehr spaßig gewesen sein. Dieses Ende haben sie nicht verdient. Falls es sich um ein Verbrechen handelt, müssen wir es anzeigen, sobald wir wieder zurück sind.«
    »Das haben keine Menschen getan, Joshua. Sieh dich um. Sämtliche Wunden sind gerissen oder gebissen worden. Eingeschlagene Schädel. Das Werk von Tieren. Ängstlichen Tieren. Und die Tür hinter dir ist von innen aufgebrochen worden, nicht von außen. Was auch immer das getan hat, ist nicht durch die Tür hereingekommen. Es ist hierher gewechselt und hat sich einen Weg nach draußen gebahnt.«
    Joshua nickte. »Dann haben die Siedler hier wahrscheinlich gar keinen Schutz gesucht. Sie sind bereits hier gewesen, bei ihrer Morgenandacht. Plötzlich ist etwas aus dem Nichts mitten unter ihnen aufgetaucht. Wechselnde Tiere, auf der Flucht vor … irgendetwas.«
    »Die Tiere sind offensichtlich in Panik geraten. Ich frage mich auch, welche Wirkung die würzigen Kräuterdämpfe in der Luft auf sie gehabt haben mochten …«
    Joshua ertappte sich dabei, wie er einen bestimmten, verdreht auf dem Boden liegenden Körper betrachtete. Er war nackt, mit einem dichten Haarkleid überzogen – und nicht menschlich. Ein Körper von ungefähr menschlichen

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