Die lange Reise
einmal selbst zum Kapitän gewählt zu werden – später einmal. Aber er wußte, daß Narby schon die ganze Zeit darauf hinarbeitete.
Ertz war von dem romantischen Wunsch, das Schiff zu bewegen, nicht weniger besessen als Hoyland. Er sah ein, daß sein alter Traum dem neuen im Wege stand. Mit einer Spur von Bedauern verzichtete er auf den alten.
»Du wirst die Bürde auf dich nehmen müssen, Fin«, sagte er diplomatisch. »Bist du bereit dazu?«
»Wenn ihr es für richtig haltet. Aber du würdest selbst ebenfalls einen guten Kapitän abgeben, Ertz«, erwiderte Narby heuchlerisch.
Ertz schüttelte den Kopf. Er war überzeugt, daß des anderen Mitarbeit von diesem einen Punkt abhing. »Nein, ich möchte weiterhin Chefingenieur bleiben – ich möchte mich persönlich um den Hauptantrieb kümmern, wenn wir die eigentliche Reise fortführen.«
»Nicht so schnell«, warf Joe ein. »Ich bin nicht damit einverstanden. Warum soll ausgerechnet er der Kapitän werden?«
Narby wandte ihm den Kopf zu. »Möchtest du Kapitän werden?« Er bemühte sich, nicht sarkastisch zu klingen. Ein Mutie als Kapitän!
»Um Jordans willen – nein. Aber warum du? Warum nicht Ertz oder Hugh?«
»Ich auf keinen Fall«, wehrte Hugh ab. »Ich habe keine Zeit für die Verwaltung. Ich bin der Astrogator.«
»Im Ernst, Joe-Jim«, erklärte Ertz. »Narby ist der einzige von uns, der sich der Mitarbeit der Offiziere versichern kann.«
»Verdammt, wenn sie nicht mitmachen wollen, schlitzen wir ihnen eben die Kehle auf.«
»Wenn Narby Kapitän ist, wird das nicht nötig sein.«
»Es gefällt mir nicht«, murrte Joe. Sein Bruder versuchte ihn zu beruhigen. »Was regst du dich denn auf, Joe. Jordan weiß, wir wollen die Verantwortung für das Schiff nicht auf uns laden!«
»Ich verstehe eure Skepsis durchaus«, versicherte ihnen Narby diplomatisch. »Aber ich glaube, ihr braucht euch keine Sorgen zu machen. Ich müßte mich natürlich mit der Verwaltung der Muties ganz auf euch verlassen. Ich würde mich um die unteren Decks kümmern, eine Arbeit, die mir vertraut ist, während ihr als eine Art Vizekapitän für die Muties da sein müßtet. Es wäre unverantwortlich, wenn ich in eigener Regie einen Teil des Schiffes verwalten wollte, mit dem ich absolut nicht vertraut bin, und mich persönlich um das Wohlergehen von Leuten sorgen sollte, deren Sitten und Gebräuche mir fremd sind. Ich kann das Amt des Kapitäns nur dann annehmen, wenn ihr bereit seid, mir als Vizekapitän diese Bürde abzunehmen. Seid ihr damit einverstanden?«
»Ich will nichts damit zu tun haben!« protestierte Joe.
»Dann bin ich auch nicht bereit, das Amt des Kapitäns anzunehmen – wenn ihr mich nicht einmal soweit unterstützen wollt.«
»Ach Joe, was soll's. Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als wenigstens vorübergehend Vizekapitän zu werden«, brummte Jim. »Irgend jemand muß sich ja schließlich um die Oberdecks kümmern.«
»Na schön«, gab Joe nach. »Aber gern tu ich's nicht.«
Narby überging stillschweigend, daß Joe-Jim seiner Ernennung zum Kapitän nicht eigentlich zugestimmt hatten.
Es wurde beschlossen, daß Ertz, Alan und Narby zurückkehren und ihrer gewohnten Tätigkeit nachgehen sollten, während gleichzeitig die Vorbereitungen für die Stunde X getroffen wurden.
Hugh teilte ihnen einen Mutie zu, der sie zu ihrem Schutz bis zur Niemandszone begleiten sollte. »Du schickst dann Alan herauf, wenn alles soweit ist«, wandte Hugh sich noch einmal an Narby, als die drei aufbrachen.
»Ja«, erwiderte Narby, »aber rechnet nicht zu bald mit ihm. Ertz und ich brauchen Zeit, bis wir die Leute ausgehorcht und die richtigen um uns geschart haben. Außerdem müssen wir uns noch etwas mit dem alten Kapitän einfallen lassen. Ich muß ihn dazu bringen, daß er eine Versammlung aller Offiziere einberuft. Das wird gar nicht so einfach sein.«
»Du wirst es schon schaffen. Gutes Essen!«
»Gutes Essen.«
*
Die Priester-Wissenschaftler, die eigentlichen Herrscher des Schiffes unter Jordans Kapitän, hielten nur sehr selten Sitzungen ab. Wenn sie tatsächlich alle zusammenkamen, trafen sie sich in dem riesigen Raum direkt über den Büros, auf dem letzten Deck des bewohnten Schiffsteils. Vor langer Zeit, vor der Meuterei unter dem Anführer Roy Huff, war dieser Raum die Turnhalle gewesen. Ein von allen beliebter Ort für Sport und Spiel. Doch davon hatte die jetzige Mannschaft keine Ahnung. Sie wußte ja nicht einmal mehr, was Sport
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