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Die langen Schatten der Erleuchtung

Die langen Schatten der Erleuchtung

Titel: Die langen Schatten der Erleuchtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirti Peter Michel , Klaus-Jürgen Leimann
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gebügelte Stoffhose an. Ernst ließ er sich am Küchentisch nieder. Er sah aus wie ein Novize, der gerade zum Priester geweiht worden war und es selbst noch nicht glauben konnte. Der Ausflug in die Normalität war bis zum nächsten Heimspiel beendet. Marlies schenkte ihm mit zitternder Hand eine Tasse Kamillentee ein. Am auffälligsten benahm sich Gary. Er war ein Ausbund an Heiterkeit und Unbeschwertheit.
    „Das bringe ich in Ordnung, Käthchen“, meinte er und zeigte auf das zerstörte Rattanelement, „ich schweiße dir ´was Solides zusammen. Stahlmöbel sind im Augenblick der letzte Schrei.“ Käthchen saß eingeklemmt wie in einem Kinderstuhl in ihrem mächtigen Sessel, den man aus ihrem Zimmer geschleppt hatte.
    „Es ist ja kaum zu glauben“, meinte Vera, „du frühstückst mit uns in der Küche und verziehst dich nicht in deine Klause!? Was ist passiert? Müssen wir uns etwa Sorgen machen?“
    „Das ist die Frucht ernsthafter Meditation, meine Liebe“, antwortete Gary mit einem strahlenden Lächeln, „es ist wohl der Durchbruch bei mir, die Erleuchtung! Kannst du mir mal bitte die Leberwurst rüberreichen?“
    „Ich werd´ verrückt“, stöhnte Vera ungläubig, „unser Asket und Vegetarier verlangt nach Leberwurst! Auf was müssen wir uns noch gefasst machen? Dass du hier noch vielleicht einen Harem aufmachst!?“
    „Macht euch einfach auf alles gefasst, das ist am Besten!“, strahlte Gary.
    „Wo ist eigentlich Hanif?“, meldete sich Käthchen. „Du hast ihn doch nicht umgebracht, Vera?“ Sie deutete auf das geschundene Rattanelement. „Eine Leiche reicht doch wohl!“
    „Ich habe ihn nicht umgebracht, sondern nur ein wenig betreut! Das sind wir unseren ausländischen Mitbürgern doch schuldig, nicht Jutta?“
    Später kamen auch Jojo und Hanif nach unten. Vera zeigte an Hanif keinerlei Interesse mehr und verhielt sich wie ein einzelgängerisches Nashorn, das sich nach erfolgreicher Paarung sofort wieder vom Partner trennt und sich in die Büsche schlägt. Ganz anders Hanif, der liebevolle Blicke über Veras Figur streichen ließ und später Harald um ein Exemplar des Spielplans von Pauli bat. Und reichlich enttäuscht war, dass bis zum nächsten Heimspiel noch zwei volle Wochen lagen.
    Nach dem Essen verließ Gary als einziger das Haus. Es war sein Tag! Und ihm war nach einem Joint. Er schlug den Weg zum alten Kinosaal – der Roten Flora -ein, wo sich jetzt die Dealer herumtrieben. Dieser Tag muss gefeiert werden! Und Hanif, dieser besoffene alte Arsch, hat mir tatsächlich geglaubt!

Auf jeden Fall hat der „gewöhnliche Bewusstseinszustand“
    etwas Witziges, etwas Groteskes an sich.
    All diese Leute, diese Milliarden von „Ichs“ auf der Suche
    nach sich selbst, in die verrücktesten Geschichten verstrickt.
                                                                                        Stephen Jourdain

Grotte oder wie Hubertus und Mathilda die Anforderungen des spirituellen Lebens meistern.
    Es war früher Morgen. Sie saßen auf der Felsplatte vor ihrer Höhle. Wieder einmal kündigte sich ein heißer Tag an. „Mathilda, weißt du, wie ich mir vorkomme?“, fragte Hubertus, nachdem sie die kärglichen Reste ihrer gestrigen Mahlzeit gegessen hatten. „Ich fühle mich wie ein gestresster Städter, der all seine Jahre im Büro von einem Leben auf einer einsamen Insel geträumt hat. Und jetzt hat sich sein Traum erfüllt – er ist auf diesem wunderschönen Eiland mit der Frau seines Herzens – und muss nun feststellen, dass er für solch ein Leben überhaupt nicht geeignet ist! Das ist irgendwie deprimierend! - Geht es dir auch so?“
     
    „Ich habe die Stille hier anfangs wirklich genossen. Natürlich war es irgendwie sensationell und aufregend, die erste Zeit in einer richtigen Höhle zu leben! Aber vielleicht ist es gar nichts Besonderes mehr, wenn sich die Träume verwirklichen? Dann sitzt du plötzlich da mit deiner Erleuchtung und sehnst dich zurück nach den Zeiten deiner Verblendung. Ich hätte jedenfalls zur Abwechslung nichts gegen einen Schaufensterbummel und den einen oder anderen Cocktail einzuwenden!“
    „Das sehe ich genauso, mein Schatz! Wie öde es hier ist! Und so entsetzlich langweilig! Wie damals, als wir den Bauernhof gekauft hatten und von einem einfachen Leben auf dem Lande schwärmten! Mit eigenem Gemüse, Kartoffeln und Obst, mit selbstgemachtem Käse. Und ein

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