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Die Lanze des Herrn

Die Lanze des Herrn

Titel: Die Lanze des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaud Delalande
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zurückgebracht?«
    »Ja«, sagte Pater Fombert, »das ist noch nicht ganz klar. Aber sehen Sie sich das hier an.«
    Er wies auf eine zweite Miniatur. Darauf war ein Mosaik dargestellt. Links eine Gruppe von Personen, Gestalten auf Pferden mit Helmen und Spießen. Dann der Abhang eines Hügels oder Berges und schließlich ein Drachenkopf. Unter einem weit aufgerissenen Maul ein gepanzerter Hals und Schuppen wie Schilde. Der Drache schien einem Ozean zu entsteigen, der durch tausend kleine blaue Farbtupfer dargestellt war. Der dem Meer entsteigende Drache. Weiter unten sah man den als Madonna verkleideten Dämon, der das Kind in seinen Armen wiegte. Die blasphemische Pietà. Und darüber das Himmelsgewölbe mit Sternen, die neue Verkündigung. Die genaue Wiedergabe der Kapelle von Megiddo.
    »Unglaublich«, sagte Judith leise, »das ist wirklich nicht zu fassen.«
    »Der Kreuzritter muss die Kapelle mit Hilfe der Pergamente des Longinus entdeckt haben«, sagte der Pater. »Er nahm die Lanze, stellte sie aber später wieder zurück, vielleicht weil er meinte, ihre Macht sei zu groß für ihn. Die Macht Gottes, was weiß ich? Aber eines ist jetzt jedenfalls sicher…«
    Vor Aufregung zitternd vertiefte er sich wieder in den Text.
    »Longinus, Tempel, Essener, Kreuzritter, Rom.«
    Er lächelte.
    »Jetzt heißt es nur noch die Lücken füllen.«
    Judith dachte eine Weile über den Weg nach, den die Lanze und die Pergamente des Longinus angeblich genommen hatten. Dann erinnerte Anselmo sie daran, dass die Zeit drängte. Die junge Frau gab ihm recht und sah nach, ob Kardinal Lorenzo ihnen etwas geschickt hatte. Es waren mehrere Dateien.
    Die schriftlichen Mitteilungen aus dem Vatikan waren verschlüsselt. Oft hatten die Agenten der Abetaja kodierte Botschaften in den Taschen ihrer Soutanen. Texte des Breviarum Romanum in der Version der alten Vulgata, die Vesperhymne Johannes’ des Täufers oder musikalische Systeme dienten als Schlüssel. Judith dechiffrierte die Botschaften nach dem mit Kardinal Lorenzo abgesprochenen System und konnte sie schon bald lesen.
     
    »Jörg Krenzler wird in diesem Moment von den Ägyptern verhört. Ich habe erfahren, was sich im Zug abgespielt hat. Bitte gratulieren Sie Anselmo in meinem Namen. Aber geben Sie auf sich acht! Wir hätten Sie beinahe zurückgeholt, aber wir können jetzt nicht mehr zurück. Monsignore Almedoes hat dem Präsidenten und dem Außenminister von Ägypten die Situation erläutert. Jörg Krenzler ist tatsächlich Österreicher. Er ist mehrfach vorbestraft, behauptet jedoch, von Axus Mundi habe er noch nie etwas gehört. Die Organisation funktioniert offenbar wie ein Terrornetz. Sie ist in Zellen aufgeteilt, die jeweils nur über ein oder zwei Kontakte verfügen, dazu alle mit erfundener Identität…«
     
    Judith gab ihre PIN ein und wählte mit dem Handy die Nummer des Kardinals. Unterdessen sah sie sich den nächsten Text an. Sie war so müde, dass die Zeilen vor ihren Augen tanzten.
     
    »Sie könnten eine Methode angewandt haben, die PCR heißt, Polymerase-Kettenreaktion. Sie wurde 1985 entwickelt. In groben Zügen, man kann damit die Menge der ursprünglichen DNA vermehren. Ihr Prinzip beruht auf der Verwendung eines Enzyms, das eine DNA-Kette synthetisiert. Man wiederholt den Vorgang mehrfach und erhält eine große Zahl DNA-Moleküle, die mit dem ursprünglichen Molekül identisch sind. Die Methode ist höchst sensibel und kann vor allem bei alter menschlicher DNA schwierig sein. Verunreinigungen stellen eines der Risiken dar, die das Ergebnis beeinträchtigen können, zum Beispiel bei der Probenentnahme.«
     
    Judith hielt noch immer ihr Handy ans Ohr. Endlich meldete sich Kardinal Lorenzo.
    Sie legte den Apparat hin und benutzte die Kopfhörer, um die Hände frei zu haben.
    »Judith!«, rief der Kardinal. »Ich habe Blut geschwitzt, als ich erfuhr, dass…«
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich lese gerade Ihre Nachrichten. Wir sind in der Bibliothek. Über diesen Krenzler ist also noch nicht viel Neues ans Tageslicht gekommen. Aber sagen Sie mir ganz ehrlich: Sind wir im Begriff, irgendwelchen Spinnern auf den Leim zu gehen oder glauben diese Leute wirklich, sie können die DNA Christi gewinnen und verwenden?«
    »Es ist gelungen, die DNA eines tiefgefrorenen, vierzigtausend Jahre alten Mammuts zu gewinnen, entschuldigen Sie den Vergleich! Dagegen dürfte die Gewinnung der DNA eines Menschen, der vor zweitausend Jahren lebte, wohl kaum ein Problem sein.

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