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Die Lanze des Herrn

Die Lanze des Herrn

Titel: Die Lanze des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaud Delalande
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dazu?«
    Dino suchte verlegen nach Worten.
    »Sie wissen doch, wie sehr er Sie schätzt. Er ist der Meinung, dass wir Sie noch brauchen. Ich aber…«
    »Dann ist die Sache doch klar. Ihre Fürsorge rührt mich sehr. Aber wir müssen weitermachen. Was hier geschieht, ist zu wichtig. Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte sie mit einem Blick auf ihren Schutzengel. »Ich bin erwachsen und Anselmo passt ganz hervorragend auf mich auf.«
    Der Kardinal zögerte einen Augenblick, dann gab er nach.
    »Also einverstanden, wenn das so ist. Hören Sie gut zu. Die Soldaten wollen das benachbarte Kloster als Hauptquartier benutzen, wenn die Mönche einverstanden sind. Wir brauchen eine getarnte Basis, auf die Axus Mundi nicht kommt. Wir sind ja mitten in der Wüste. Die Ägypter werden ohne Zweifel versuchen, das Labor zu stürmen. Fahren Sie mit Anselmo zum Katharinenkloster. Dort treffen Sie die ägyptischen Militärs und können unsere Interessen vertreten. Bis alle Beteiligten an Ort und Stelle sind und den Einsatz vorbereitet haben, können zwei Tage vergehen. Eins müssen Sie mir aber versprechen: Gehen Sie kein unnötiges Risiko ein! Sie und Anselmo halten sich im Hintergrund!«
    »Ich verstehe«, sagte Judith mit fester Stimme. »Aber wenn da wirklich eine Befruchtung durchgeführt werden soll, müssen wir unbedingt vorher dort sein und der Frau habhaft werden.«
    »Ich weiß«, seufzte Kardinal Lorenzo. »Seien Sie vorsichtig, das ist das einzig Entscheidende.«
    Sie sah auf die Uhr.
    »Wir könnten noch heute Abend fahren, aber…«
    »Nein, Sie müssen sich erst ausruhen. Es reicht, wenn Sie morgen am Nachmittag im Katharinenkloster eintreffen. Die Ägypter stoßen dann zu Ihnen, wenn es Almedoes gelingt, alles rechtzeitig in die Wege zu leiten.«
    »Gut, ich habe verstanden.«
    »Ich möchte mit Anselmo sprechen.«
    »Ich reiche Sie weiter.«
    Anselmo nahm den Apparat, verhedderte sich kurz in den Kopfhörern, zog sie heraus und legte dann das Handy ans Ohr.
    Judith nahm Pater Fombert zur Seite und berichtete ihm, was sie erfahren hatte. Der Mönch und der Bibliotheksdirektor hatten zwischenzeitlich Fotos von den Illuminationen gemacht und waren dabei, den Kodex wieder sorgfältig zu verpacken. Dann räumte auch Judith ihre Sachen zusammen. Anselmo telefonierte noch immer mit dem Kardinal und antwortete ihm von Zeit zu Zeit mit einem kurzen Ja. Judith sah sich noch einmal in der neuen Bibliothek um. Sie hatte das Gefühl, an dieser Stätte mehreren Jahrtausenden Zivilisation und dem Gedächtnis der Menschheit gegenüberzustehen. Der Gedanke, einer Organisation auf der Spur zu sein, die fähig war, alles, was diese vielen Tausend Bücher bedeuteten, mit einem Schlag zu vernichten, erfüllte sie mit großer Unruhe.
    Tausende Jahre Zivilisation und nun dieses absolut wahnsinnige Unternehmen, dachte sie. Das soll Fortschritt sein? Dass alle unsere Errungenschaften zunichte gemacht werden? Von uns Menschen?
    Auf der einen Seite diese vielen Tausend Jahre, auf der anderen Seite das Schreckgespenst, dass der Mensch zu einem Instrument degradiert werden soll.
    Erneut wurde ihr klar, was auf dem Spiel stand.
    »Judith, wir müssen los! Andiamo«, sagte da Anselmo zu ihr.
    Sie waren erschöpft. Sie mussten ein Hotel finden und ein paar Stunden schlafen. Am nächsten Morgen wollten sie zu dem Kloster aufbrechen.
    ♦♦♦
    Im Untergeschoss des felsigen Wüstenlabors arbeiteten die Kollegen von Professor Li-Wonk mit erhöhter Energie. Die zweite Phase ihres Experiments hatte begonnen. Jeder der vier Wissenschaftler leitete ein Team, das die im Arbeitsplan vorgesehen Aufgaben erfüllen musste. In den Labors wurde konzentriert und schnell gearbeitet, und man kam gut voran. Die Doppelhelix der DNA, die noch immer wie ein Hologramm unter dem Gewölbe des größten Labors schwebte, erinnerte die Wissenschaftler mal an eine giftige und mal an eine Segen bringende Blume. Windungen im tiefsten Innern des Seins, das sie hier wiedererwecken sollten. Das stark vergrößerte, violett gefärbte Allel kam ihnen vor wie ein neuer Horizont, den sie erreichen mussten. Die letzte Grenze aller Grenzen.
    Seit sie hier auf der Halbinsel Sinai waren, weitab vom Lärm der Welt, herrschte im Labor eine unterdrückte Erregung, angeheizt durch die Furcht, das letzte Tabu zu brechen. Man war müde, aber die Genauigkeit, mit der man arbeiten musste, zwang jeden unerbittlich zur Konzentration. Wie Professor Li-Wonk gesagt hatte, sahen sie in der Kombination

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