Die Lanze des Herrn
Dazu kommt, dass das Blut eine Besonderheit aufweist. Es würde zu lange dauern, Ihnen das jetzt zu erklären. Es sind noch Hindernisse zu überwinden, ja, aber der Ehrgeiz dieser Leute ist so groß, dass sie auf alles pfeifen, was wissenschaftliche Realität heißt. Es gibt ungelöste technische Probleme, ganz davon abgesehen, dass die Forschung auf diesem Gebiet strengen Auflagen unterliegt. Aber beim jetzigen Stand der Dinge wäre es ein Irrtum zu glauben, dass Axus Mundi nicht vielleicht doch eine neue Technik gefunden hat.«
»Aha.«
»Ich habe übrigens Neuigkeiten. Ich glaube, wir sind einen großen Schritt weitergekommen. Emily Banner hat die Adresse der provokanten E-Mails an den Vatikan aufgespürt. Der Absender musste damit rechnen, dass man ihn irgendwann ausfindig macht. Deshalb glaube ich, dass die Sache beabsichtigt war. Bei Axus Mundi muss es jemanden geben, der heimlich versucht, die Dinge dort aufzuhalten.«
»Denkbar wäre das. Aber was hat Schwester Emily denn gefunden?«
»Ich komme gleich darauf. Der Absender hat leider nicht sein Handy benutzt, sonst hätten wir viel Zeit gespart. Aber eine WAP-Verbindung wäre etwas zu plump gewesen oder, falls er überwacht wird, für ihn zu gefährlich. Er hat einen normalen Rechner verwendet. Wir fanden jede Menge E-Mail-Konten unter Namen wie Drache, Faust, Sanctuschristus, Golem oder Cthulhu. Sagt Ihnen der Name etwas?«
»Cthulhu? Natürlich. Lovecraft. Die Mythen von Cthulhu. Das waren furchtbare Götter, unheilbringende Wesen früherer Zeiten.«
»Jedenfalls ist Schwester Emily mit den Providern in Verbindung getreten, um herauszufinden, wie sie die IP-Nummer und den Ursprung der Nachrichten erfahren kann. Sie hat schließlich die Nummer bekommen. 192 168.10.4. Als sie dann den Provider angemailt hat, der die Verbindung für Axus Mundi hergestellt hat, landete sie bei der ägyptischen Telecom. Können Sie mir folgen?«
»Also…«
»Damit wissen wir, dass Axus Mundi sich im Moment auf ägyptischem Gebiet befindet. Wir haben unsere Ermittlungen mit denen des Mossad verglichen, und wir haben auch die Satelliten-Informationen erhalten, die wir von den Amerikanern und Franzosen erbeten hatten. Man hat seit einigen Monaten unweit vom Katharinenkloster erhöhte Aktivität festgestellt. Die Mönche des Klosters haben ja ebenfalls verschlüsselte Nachrichten erhalten. Unserem geheimnisvollen Informanten verdanken wir noch einen weiteren Hinweis, den uns die ägyptische Regierung bestätigt hat: Eine ehemals vom Verteidigungsministerium genutzte Anlage wurde an einen privaten Unternehmer vermietet.«
»Lassen Sie mich raten. Axus Mundi?«
»Nein, aber an einen gewissen Ernst Heinrich. Er ist Österreicher, Judith.«
Da haben wir es, dachte sie.
Sie blickte von ihrem Laptop auf.
»Wir wissen nichts über ihn«, fuhr der Kardinal fort. »Vielleicht ist der Name ja falsch. Wir bemühen uns nach Kräften, aber bislang ist alles sehr geheimnisvoll.«
»Es passt aber doch alles bestens zusammen!«, erwiderte sie rasch. »Krenzler hat sicher für ihn gearbeitet. Der Sinai. Eine Wüste, schön weit weg vom Schuss. Aber nicht zu weit von der israelischen Grenze. Sie hätten ja ihre dunklen Machenschaften nicht vor der Nase der Israelis betreiben können. Sie mussten die Lanze schnellstens aus Megiddo wegschaffen. Sie sind bestimmt am Sinai!«
Anselmo hatte sich neben sie gestellt und folgte dem Gespräch mit großer Aufmerksamkeit. Dino Lorenzo antwortete bestätigend:
»Dafür spricht, dass zu der Anlage unterirdische Räume gehören. Wir haben gerade den Grundriss bekommen. Es gibt ein regelrechtes Labyrinth da unten.«
Judiths Miene war angespannt. Pater Fombert und der Mönch hatten sich von ihrem Kodex abgewandt und sahen sie fragend an.
»Was sollen wir nun tun?«, fragte sie.
»Almedoes verhandelt gerade mit den Regierungsstellen. Wir bereiten mit der Armee und dem Geheimdienst der Ägypter eine Militäroperation vor.«
Er holte tief Luft.
»Sie haben gute Arbeit geleistet, Judith. Aber ich glaube, zu Ihrer Sicherheit ist es besser, Sie kehren jetzt nach Rom zurück.«
Judith lächelte.
»Das soll wohl ein Scherz sein«, sagte sie. »Wir bleiben weiter am Ball.«
Einen Moment herrschte Schweigen.
»Sind Sie sich wirklich ganz sicher? Das kann ich nicht von Ihnen verlangen, und wenn Ihnen auch nur das Geringste zustoßen würde, könnte ich es mir nie verzeihen.«
»Haben Sie mit dem Heiligen Vater darüber gesprochen? Was meint er
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