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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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ist ausgetauscht worden.«
    »Ausgetauscht?«
    »Was darauf hindeutet, dass ein Brenner im System ist. Der Punkt ist aber, dass dieser Pilot auf dem Weg außer Landes war. Nach Bangkok.«
    Harry roch den Duft ihres Parfüms und wusste, dass sie nicht mehr in der Tür stand, sondern zu ihm getreten war und sich über seine Schulter beugte. Der Schein des Computerbildschirms war die einzige Lichtquelle in dem dunklen Jungenzimmer.
    »Was für ein foxy Foto. Wer ist das?« Ihre Stimme war dicht an seinem Ohr.
    »Isabelle Skøyen, Senatssekretärin. Eine von denen, die Gusto angerufen hat. Oder besser gesagt, sie hat Gusto angerufen.«
    »Dieses Blutspende-T-Shirt ist doch wohl eine Nummer zu klein?«
    »Es gehört sicher zum Job eines Politikers, Werbung für Blutspenden zu machen.«
    »Ist die denn als Politikerin einzuschätzen, die ist doch bloß Senatssekretärin!«
    »Egal, aber wenn die wirklich AB Rhesus negativ hat, muss sie ja förmlich Blut spenden.«
    »Stimmt, die Blutgruppe ist selten. Guckst du dir dieses Bild deshalb so genau an?«
    Harry lächelte. »Die hat verdammt viele Treffer. Pferdezüchterin, Straßenfegerin ?«
    »Angeblich haben wir es dieser Frau zu verdanken, dass all die Drogenbanden hinter Schloss und Riegel sind.«
    »So wie es aussieht, nicht alle. Ich frage mich nur, worüber sie mit einem wie Gusto geredet haben kann.«
    »Tja, sie leitet ja diese Drogenarbeitsgruppe des Sozialsenats. Vielleicht hat sie Gusto genutzt, um an Informationen zu kommen.«
    »Nachts um halb zwei?«
    »Uih.«
    »Ich werde sie mal fragen.«
    »Ja, ich kann mir schon vorstellen, dass du Lust dazu hast.«
    Er wandte ihr den Kopf zu. Ihr Gesicht war so nah, dass er es nicht mehr scharf stellen konnte.
    »Höre ich da, was ich zu hören glaube, Liebes?«
    Sie lachte leise. »Überhaupt nicht. Die sieht doch schrecklich billig aus.«
    Harry holte langsam Luft. Sie hatte sich nicht bewegt. »Und was lässt dich glauben, dass ich diese billigen Typen nicht mag?«, fragte er.
    »Und warum flüsterst du?« Ihre Lippen bewegten sich so dicht vor den seinen, dass er den Luftstrom ihrer Worte spürte.
    Zwei Sekunden lang waren die Lüfter des PC s alles, was man hörte. Dann richtete sie sich abrupt auf, sah Harry mit abwesendem Tausendmeterblick an und legte sich die Hände auf die Wangen, als wollte sie sie abkühlen. Schließlich drehte sie sich um und verließ das Zimmer.
    Harry legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und fluchte leise. Hörte sie in der Küche hantieren. Er atmete ein paarmal tief ein und aus und beschloss dann, dass das, was gerade geschehen war, nicht geschehen war. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen, und googelte die restlichen Namen. Bei einigen davon fand er zehn Jahre alte Ergebnislisten von Skirennen oder Referate über irgendwelche Familientreffen, bei wieder anderen kam gar kein Treffer. Es gab Menschen, die nicht mehr existierten, die sich dem allumfassenden Flutlicht der modernen Gesellschaft entzogen hatten, in irgendeiner dunklen Ecke hockten und nichts anderes taten, als auf die nächste Dosis zu warten.
    Harry blieb sitzen und starrte die Wand an. Ein Plakat von einem Typ mit einem Federschmuck auf dem Kopf. »Jonsi« stand darunter. Harry glaubte, sich daran zu erinnern, dass der etwas mit der isländischen Band Sigur Rós zu tun hatte. Ätherische Geräuschteppiche und konstanter Falsettgesang. Ziemlich weit weg von Megadeth und Slayer. Aber vielleicht hatte Oleg ja einen anderen Geschmack entwickelt. Wenn er nicht beeinflusst worden war. Harry verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
    Irene Hanssen.
    Plötzlich wurde ihm bewusst, was es war, das ihn an der Telefonliste stutzig gemacht hatte. Gusto und Irene hatten vor ihrem letzten Gespräch beinahe täglich miteinander telefoniert. Danach hatte er nicht einmal mehr versucht, sie anzurufen. Als hätten sie sich gestritten. Oder als hätte Gusto gewusst, dass Irene nach diesem Tag nicht mehr zu erreichen war? Bis er dann – am Tag seiner Ermordung – die Festnetznummer bei ihr zu Hause angerufen und tatsächlich auch mit jemandem gesprochen hatte. Das Gespräch hatte eine Minute und zwölf Sekunden gedauert. Warum war ihm das aufgefallen? Harry versuchte, zum Ausgangspunkt seines Gedankens zurückzufinden. Musste aber aufgeben. Er wählte die Nummer des Festnetzanschlusses, ohne eine Verbindung zu bekommen, und als er es auf Irenes Handy versuchte, verkündete ihm eine Stimme, die Nummer sei vorübergehend gesperrt.

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