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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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bebaut«, erzählte Ralf. »Ein absolutes Traumhaus, sage ich dir. Rundum verglast, offener Kamin, Galerie, Dachstudio. Ein echter Architektentraum. Das ist ganz witzig, du: Alle, die das Haus sehen, denken, das hat irgendein berühmter Architekt entworfen. Dabei war alles meine eigene Idee, bis in die letzte Ecke. War zwar eine Sauarbeit, du, aber jetzt kann ich mich als echten Fachmann bezeichnen, was die Bauerei angeht. Du musst dir das Haus unbedingt mal angucken.«
    »Wo steht es denn?«, fragte ich.
    »In Hückeswagen-Bickenbach, gegenüber von meinem Elternhaus«, sagte Ralf. »Ein echtes Schmuckstück. Vier Schlafzimmer, drei Bäder - es wird dich sicher beeindrucken.«
    »Wozu brauchst du vier Schlafzimmer und drei Bäder?«, wollte ich wissen. In Hückeswagen-Bickenbach, lieber Himmel!

    Ralf erklärte, dass er beim Bau an die Zukunft gedacht habe.
    »Drei Kinder sind das Minimum«, sagte er. »Mir fehlt nur noch die richtige Frau dafür.«
    »Aha.« Ich stopfte den pappigen Kartoffelsalat in mich hinein.
    »Aber das ist gar nicht so einfach mit der richtigen Frau, du«, fuhr Ralf fort. »Was meinst du, wie viele Tus- sies ich allein in den letzten zwei Jahren habe abblitzen lassen?«
    Ich schob eine weitere Gabel voll in meinen Mund und tippte stumm auf eine Zahl irgendwo unter Null.
    »Ich habe sie nicht gezählt«, meinte Ralf mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Aber nun lass uns doch mal von dir reden.«
    Das war jetzt wieder nett. Ich kaute eifrig.
    »Robert sagt, dass du studiert hast. Was Exotisches.«
    »Wie man's nimmt«, sagte ich mit vollem Mund.
    »Ich habe nichts gegen studierte Frauen«, ließ mich Ralf wissen. »Aber die Frau, die ich mal heirate, die sollte eigentlich was Vernünftiges gelernt haben. Damit es nicht irgendwann heißt, ich will mich selbst verwirklichen. Aber machen wir mal weiter. Was machst du denn so in deiner Freizeit?«
    Ich wusste nicht recht, was ich darauf antworten sollte, nahm deshalb einen Happen Kartoffelsalat und murmelte undeutlich: »Mit vollem Mund spricht man nicht.«
    »Treibst du eine Sportart?«
    »Rollerskating. In-line-Skates.« Ich beeilte mich, Ralf zu erzählen, dass ich früher mit den Dingern immer zur Arbeit gerollert war. Hin und zurück sieben Kilometer! Das war Klasse gewesen, und mir fehlte die Bewegung richtig. Aber zu Hoppes Reiterbedarf war es zu weit, und bei dem derzeitigen Sauwetter würde es auch keinen Spaß machen.
    »Ich dachte mehr an richtigen Sport«, erklärte Ralf. »Golf, Polo, Tennis.«
    Ich schüttelte bedauernd den Kopf. Ralf sah enttäuscht aus. Er selbst sei nämlich ein ausgesprochen leidenschaftlicher Golffan und stünde daher schon seit drei Jahren auf der Warteliste vom Golfclub in Hückeswagen-Bickenbach. Und er habe extra eine Satelli-tenschüssel auf seinem Hausdach in Hückeswagen-Bickenbach installieren lassen, damit er den speziellen Sportkanal empfangen könne, in dem die Polospiele immer live aus England übertragen würden.
    »Aha«, sagte ich zum wiederholten Mal.
    Ralf verfiel in spürbar gedämpftere Stimmung. Ich sah eine reelle Chance, ihn loszuwerden, indem ich versuchte, möglichst ehrlich auf seine Fragen zu antworten. Die routinierte Art und Weise, mit der er sein Verhör fortsetzte, ließ in mir den Verdacht, aufkeimen, dass er das nicht zum ersten Mal machte.
    »Kannst du Krawattenknoten binden? Welche CDs stehen in deinem CD-Ständer? Trägst du Einlagen?
    Was hältst du von unserem Helmut? Wann hast du Abitur gemacht? Wer ist dein Lieblings-Talkmaster?
    Wie viele Fahrstunden hast du bis zur Führerscheinprüfung gebraucht? Bestellst du gelegentlich bei Bofrost?«
    Ralf stand die Enttäuschung immer deutlicher ins Gesicht geschrieben. Besonders traurig schien ihn zu machen, dass ich keinen CD-Ständer besaß, nicht wusste, wer mit »unser Helmut« gemeint war, und dass mein Abitur schon neun Jahre her war. Eine Weile schwieg er tatsächlich. Ich nutzte die Pause, um ihn zu fragen, ob er ein Instrument spielen würde. Wenn es tatsächlich Posaune war, würde ich mich auf den Rücken fallen lassen und mit den Beinen in der Luft herumstrampeln.
    Ralf spielte aber überhaupt kein Instrument. Er wollte auch lieber weiter über sein Verhältnis zu Frauen sprechen.
    »Seit ich das Haus habe, rennen sie mir echt die Türe ein«, sagte er. »Aber ich bin nun mal sehr, sehr wählerisch, was Frauen angeht, du. Man gibt sich schließlich nicht mit jeder ab. Da sind schon unzählige Anwärterin- nen auf der

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