Die Laufmasche
sagte er. »Das kriegen wir schon hin. In dieser Firma kann man über alles reden. Bei uns ist jeder für jeden da.«
Voller Tatendrang verließ ich sein Büro. Ich würde mir nicht länger einreden, mit einem Fluch belegt zu sein. Jetzt begann eine neue Lebensphase. Als erfolgs-verwöhnte Karrierefrau mit nach oben offenem Gehalt würde ich mir meinen Traum vom Haus mit Kirschbaum und Schaukel eben selber erfüllen.
Frau Schmidt, meine Vorgängerin, hatte telefonisch verkündet, dass sie leider für die Einarbeitungszeit nicht mehr zur Verfügung stünde.
Sie hatte eine dicke Erkältung erwischt. Herr Kernig meinte aber, dass ich durchaus in der Lage sein müsste, mich selber einzuarbeiten.
Frau Berghoff, seine nette Sekretärin, führte mich durch die einzelnen Büroräume, um mich den anderen Mitarbeitern vorzustellen. Bei einer Tasse Kaffee hatte sie mir bereits das Du angeboten. Sie hieß Beate.
»Hier oben im ersten Stock sind Vertriebs- und Einkaufsabteilung und die Buchhaltung untergebracht«, erklärte sie. »Den Oberboss kennst du ja bereits, und Frau Müller-Seitz, seine Sekretärin. Mit der musst du dich immer gut stellen, weil sie die Kennworte für den Computer kennt.
Außer ihr kennt die nämlich nur noch die Stattelmann, die Chefbuchhalterin, und'mit der ist nicht gut Kirschen essen.«
Frau Stattelmann war eine schlanke Person mit langen, blondierten Haaren und einem
braungebrannten, ledrigen Gesicht, das sie älter machte, als sie vermutlich war. Aus irgendeinem Grund schien sie mich nicht zu mögen. Als ich ihr vorgestellt wurde, übersah sie meine ausgestreckte Hand geflissentlich.
»Ich habe gehört, Sie haben studiert«, sagte sie stattdessen.
Ich nickte überrascht. Diese Information konnte nur von Herrn Kernig stammen oder von Wolf selber.
»Ich sag' Ihnen lieber gleich, dass ich nichts von Aka- ziern halte, die sich wer weiß was auf ihre Fähigkeiten einbilden«, sagte Frau Stattelmann.
Ich lachte höflich. Akazier? Nie gehört. »Wie bitte?«, fragte ich verwirrt, aber Beate Berghoff zerrte mich aus dem Büro, ohne mich die Antwort abwarten zu lassen.
»Die hat etwas Probleme mit Fremdwörtern«, erklärte sie draußen. »Aber wehe, man lacht darüber.«
Ich klappte den Mund zu.
»Niemand kann sie leiden, außer dem kleinen Arschloch und dem Ekelpaket unten im Lager.«
»Wer ist das kleine Arschloch?«, wollte ich wissen.
»Das wirst du schnell merken«, sagte sie und führte mich zum nächsten Büro, zu Frau Daubenbüschel und Frau Saalbach, die laut Beates Auskunft eindeutig zu der aussterbenden Gattung der ewigen Jungfrauen zu zählen war und, obwohl erst Anfang Dreißig, als solche auch in die ewigen Jagdgründe eingehen würde.
Auch hier war-nicht das Geringste des von Wölf wiederholt angepriesenen entspannten, vertraulichen und familiären Betriebsklimas zu merken. Frau Saalbach saß in geduckter Haltung auf ihrem Schreibtischstuhl, und obwohl sie mich weder ansah noch mein Lächeln erwiderte, tat sie mir irgendwie Leid.
»Ich langweile mich noch zu Tode mit der«, seufzte Frau Daubenbüschel völlig ungeniert. »Die kriegt einfach den Mund nicht auf. Seit die hier sitzt, freue ich mich sogar, wenn ich mit Kunden telefonieren darf. Das muss man sich mal vorstellen.«
Frau Saalbach warf ihr einen giftigen Blick zu, aber sie schwieg.
»So was!«, meinte ich zu ihr, nur um etwas Nettes zu sagen. »Ich habe genau den gleichen Ohrring wie Sie. Sehen Sie mal! Ist das nicht ein komischer Zufall?«
Frau Saalbach musterte meinen Ohrring finster und schwieg hartnäckig.
»Das habe ich am Anfang auch versucht«, sagte Frau Daubenbüschel höhnisch. »Können Sie jeden fragen. Ich war so nett zu der! Aber das ist vergebliche Liebesmüh. Die will hier keine Freundschaften schließen. Außer mit der Müller-Seitz.«
»Halten Sie ihr Schandmaul«, fauchte Frau Saalbach aufgebracht.
Wir verließen hastig das Schlachtfeld. »Die waren aber merkwürdig«, sagte ich.
»Die Daubenbüschel ist ganz in Ordnung«, erklärte Beate Berghoff. »Sie macht wenigstens den Mund auf, wenn ihr was nicht passt. Sie soll sogar dem kleinen Arschloch schon mal gesagt haben, dass er eins ist.«
»Ja, das hat sie«, sagte ein junges Mädchen, das lautlos neben uns aufgetaucht war und einen Berg von Aktenordnern auf den Armen balancierte. »Ich war dabei.«
»Frau Reisdorf«, stellte Beate vor. »Sie macht bei uns die Ablage.«
»Macht das nicht jeder für sich?«, fragte ich
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